„Brennpunktschulen“: Angst vor Unterforderung

Wie fühlen sich Wiener Schüler in Klassen mit hohem Migrationsanteil? Dieser Frage geht das Magazin „Biber“ nach. Niedrige Leistung an den Schulen hat demnach kaum etwas mit den Herkunftsländern der Eltern zu tun.

In der 5. Klasse der Polytechnischen Schule in Neubau sind vier von 17 Schülern „Ur-Österreicher“. Die Wurzeln der anderen Kinder liegen in Serbien, Rumänien, Syrien, Tschetschenien, Mazedonien, der Türkei und dem Kosovo. Die Dynamiken in diesen Klassen untersucht Melisa Erkurt, Chefreporterin des Magazins „Biber“. Seit drei Jahren tourt sie mit der „Biber“-Redaktion durch Klassen mit hohem Migrationsanteil und beobachtet dabei, wie sich Schüler, Eltern und Lehrer in sogenannten „Brennpunktschulen“ fühlen.

Wiener Schüler

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Häufig befürchten vor allem die Eltern, dass die Schüler unterfordert sind

Schüler fühlen sich „ein bisschen anders“

„Wenn man nachfragt, ob sie sich manchmal ein bisschen ausgeschlossen fühlen, dann sagen sie schon: Ja. In dem Moment, wo die anderen in ihrer Muttersprache sprechen, diese Momente kommen aber nicht so oft vor, dann fühlen sie sich ein bisschen anders“, sagt Erkurt. Es seien vor allem die Eltern, die ein Problem damit haben, ihre Kinder in Schulen mit hohem Migrationsanteil zu schicken. Sie fürchten häufig, dass ihre Kinder im Unterricht unterfordert sind und von den anderen ausgeschlossen werden.

Stadtschulrat gegen getrennte Deutschklassen

Die Regierung will Kinder, die nicht Deutsch können, zuerst in eigenen Klassen unterrichten. Der Stadtschulrat ist dagegen.

Auch einige Lehrer seien der Ansicht, dass die Wahl der Schule über künftige Berufschancen bestimmt. „Sie sagen, wenn du heute in Österreich wirklich willst, dass dein Kind eine Zukunft hat, schickst du es noch immer an ein Gymnasium. Sie finden das nicht gut, aber es ist nun mal die Tatsache“, so Erkurt.

Leistung von sozialer Herkunft beeinflusst

Eine Gesamtschule, in der die Lehrer sich auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler konzentrieren können, ist für sie ein Lösungsansatz. Dieser erfordere jedoch kleinere Klassen und mehr Lehrpersonal. Denn tatsächlich sei die Leistung an Schulen mit hohem Migrationsanteil heute niedriger. Das liegt für Erkurt jedoch vor allem daran, dass die meisten Kinder dieser Schulen aus sozial schwachen und bildungsfernen Familien stammen.

Stadtschulratspräsident Himmer

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Stadtschulratspräsident Himmer befürwortet eine „gemeinsame Schule“

Auch Stadtschulratspräsident Heinrich Himmer erkennt bei schwachen Leistungen zwei Gründe: „Einer ist migrantischer Hintergrund, ein noch wichtigerer ist der soziale Hintergrund: Einkommen der Eltern, Bildungshintergund der Eltern, Arbeitslosigkeit“, sagt er. So habe ungefähr die Hälfte der Schüler, die nach der achten Schulstufe die Lesestandards nicht erreicht, Deutsch als Muttersprache.

Stadtschulrat befürwortet „gemeinsame Schule“

Auch er sieht eine „gemeinsame Schule“ vom Kindergarten bis zum Ende der Schulausbildung mit individueller Schwerpunktförderung als Lösungsansatz. Ein Konzept, das für ihn hingegen keine Lösung bietet, ist das Modell der Deutschklassen vor Schuleintritt, wie es seitens der ÖVP und FPÖ thematisiert wird - mehr dazu in 99,12 Prozent für FPÖ-Obmann Strache.

„Uns ist wichtig, das gemeinsame Deutschlernen in den Mittelpunkt zu stellen. Voneinander lernen, nur so kann ich den Kontakt auch halten“, sagt Himmer. „Deswegen bin ich, sind wir in Wien, ein riesen Feind dieses Modells der Deutschklassen vor Schuleintritt, weil genau das damit verhindert wird. Damit erreiche ich ja erst recht das Abtrennen und das Ausgrenzen von bestimmten Gruppen.“

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