Terrassensturz: Sieben Jahre für Totschlag

In Tötungsabsicht soll ein 46-jähriger Wiener seine Ehefrau von einer Dachterrasse gestoßen haben. Der Angeklagte sprach vor Gericht von einem Unfall. Er wurde wegen Totschlags - nicht rechtskräftig - zu sieben Jahren Haft verurteilt.

„Ich bin schuld am Tod meiner Frau“, gab der 46-jährige IT-Techniker am Wiener Landesgericht zu, wo er sich zu verantworten hatte. Mörder sei er allerdings keiner, versicherte der Angeklagte, vielmehr habe es sich um einen Unfall gehandelt. Anders die Anklage - so soll der Mann seine Ehefrau, eine Bankerin, zwei Tage nach ihrem 45. Geburtstag in Tötungsabsicht von der Dachterrasse der ehelichen Wohnung in der Schwindgasse 15 Meter in die Tiefe gestoßen haben - mehr dazu in Unfall war Mord: Ehemann in Haft.

Sieben Jahre Haft wegen Totschlags

Am Landesgericht wurde der Mann am Montagabend zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe wegen Totschlags verurteilt. Die Geschworenen verwarfen mit dem knappest möglichen Abstimmungsverhältnis die Mordanklage. Vier Laienrichter folgten der Anklage, vier verneinten sie. Bei Stimmengleichheit ist zugunsten des Angeklagten auszugehen. Die Eventualfrage in Richtung Totschlag wurde von den Geschworenen einstimmig bejaht. Die bisherige Unbescholtenheit und das „Tatsachengeständnis“ wurden mildernd berücksichtigt.

Angeklagter vor Prozessbeginn

ORF/Stefanie Leodolter

Der 46-Jährige ist nicht rechtskräftig zu sieben Jahren Haft verurteilt worden

Die knapp vierjährige Tochter der ums Leben gekommenen Bankerin bekam vom Gericht ein Trauerschmerzensgeld von 50.000 Euro zugesprochen. Der Mutter der Getöteten billigten die Richter 5.000 Euro zu. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Während der Verteidiger nach Rücksprache mit dem Angeklagten auf Rechtsmittel verzichtete, gab die Staatsanwältin vorerst keine Erklärung ab.

Angeklagter sah Unfall, keine Absicht

Der Angeklagte behauptete bei seiner Vernehmung, die Frau habe ihn im Schlafzimmer attackiert, beschimpft, geschlagen und nach ihm getreten. Er habe sich auf die Terrasse begeben, nachdem er ihr unter anderem ein Küchenmesser entwunden hatte, „um mich zu beruhigen“. Sie sei ihm gefolgt, wiederum auf ihn losgegangen: „Da bin ich mit den Händen ausgefahren, habe sie gepackt, zugepackt und weggedrückt.“ Er habe sie „weggedrückt von mir. Ich wollte, dass sie aufhört herumzuschlagen“, präzisierte der 46-Jährige. Dabei sei die Frau rücklings über eine Brüstung in die Tiefe gefallen.

„Es war wahrscheinlich ein Unfall, weil ich nicht vor hatte, sie zu töten“, meinte der Angeklagte. Ursprünglich war in dem Fall von Selbstmord ausgegangen worden. Denn fest steht, dass die Bankerin seelische Probleme und vor allem mit ihrem Älterwerden Schwierigkeiten hatte. Ein von ihr selbst anlässlich ihres 45. Geburtstages ausgerichtetes Essen mit Verwandten und Freunden ließ sie sausen, ihr Mann und ihre Tochter gingen ohne sie in das Lokal, wo ein Tisch reserviert war.

Wollte Ehefrau „ausspinnen“ lassen

Danach begab sich der IT-Techniker mit der dreijährigen Tochter zu Freunden, um die Frau seiner Aussage zufolge daheim „ausspinnen“ zu lassen. Das befreundete Paar überredete den Mann am Abend des 22. April 2017, doch noch in die eheliche Wohnung zu schauen, nachdem die 45-Jährige ihm angeblich eine harsche SMS geschickt hatte.

Frau von Terrasse gestürzt Haus

APA/Georg Hochmuth

In diesem Hof wurde die Leiche der Frau gefunden

Dort angelangt, stellte der 46-Jährige fest, dass die Frau betrunken war - wie später festgestellt wurde, hatte sie zum Todeszeitpunkt 1,56 Promille im Blut. Der Mann behauptet, sie sei ihm sofort aggressiv begegnet, habe ein Sektglas nach ihm geworfen, ihn ein Weichei genannt und ihm vorgehalten, sie nur mehr als Mutter, nicht als Frau zu behandeln.

Verständigte weder Rettung noch Polizei

Auf die Frage, warum er nach dem Terrassensturz weder Polizei noch Rettung verständigt hatte, sondern sich zurück zu den Freunden begab und auch dort nichts sagte, entgegnete der Angeklagte: „Schock. Panik. Angst. Ich bin fluchtartig aus der Wohnung gelaufen. Ich habe nur an unsere Tochter gedacht. Ich muss für unsere Tochter da sein. Das war das Einzige, was ich gedacht habe.“

Die befreundete Frau entschied sich nach einiger Zeit mit der 45-Jährigen das Gespräch zu suchen. Sie fand im Innenhof des Wohnhauses in Wieden die Leiche und verständigte den Angeklagten, indem sie ihm per SMS mitteilte: „Die Karin liegt im Hof. Sie ist gesprungen.“ Als der Witwer fünf Tage später von der Polizei als Zeuge zum vermeintlichen Suizid vernommen wurde, erwähnte er kein Wort von den tatsächlichen Umständen. „Ich hab’ den Gedanken nicht zugelassen, was ich getan habe“, erklärte er dazu nun dem Schwurgericht.

„Hätte der perfekte Mord sein können“

„Es hätte beinahe der perfekte Mord sein können“, betonte die Staatsanwältin. Nur dank des Gespürs einer Kollegin, die damals Journaldienst versah, und der raschen, präzisen Reaktion des zuständigen Gerichtsmediziners habe man entdeckt, dass es sich um keinen Freitod handelte. Bei der sanitätspolizeilichen Beschau der Leiche waren charakteristische, auf eine Würgeakt hindeutende Spuren - etwa Einblutungen in den Augen - übersehen worden. Die angeordnete Obduktion ergab dann eindeutige Hinweise auf Fremdverschulden - mehr dazu in Terrassensturz: Frau möglicherweise erwürgt.

Nach seiner Festnahme hatte der Witwer gegenüber der Polizei angegeben, er hätte die Frau mit beiden Händen gepackt, über das 1,1 Meter hohe Geländer gehoben und dann losgelassen. Davon wollte er vor Gericht nichts mehr wissen. Er wäre körperlich gar nicht in der Lage gewesen, die Frau über die Brüstung zu heben, behauptete er. „Ich bin generell nicht jemand, der sehr kräftig ist“, sagte der 1,84 Meter große Mann, der seinen Grundwehrdienst bei der Garde absolviert hatte. Die Bankerin wog zuletzt bei einer Größe von 1,75 Meter 52 Kilogramm.

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