Prozess um versuchten Mord

Ein 19-Jähriger hat sich am Straflandesgericht Wien wegen versuchten Mordes verantworten müssen. Er soll im Mai des Vorjahres am Keplerplatz einen Mann niedergestochen haben. Drei mitangeklagte Männer wurden enthaftet.

Hintergrund war ein Streit zwischen Afghanen und Tschetschenen, der in einem Zug der U-Bahn-Linie U1 begonnen hatte. Mehrere Afghanen pöbelten in Richtung eines Mannes, den sie aufgrund eines T-Shirts mit kyrillischen Buchstaben für einen Tschetschenen hielten. Dieser antwortete mit „Scheißafghanen“, der Hauptangeklagte mit dem Stinkefinger, wofür er einen Schlag kassierte. In das Geschehen mischte sich nun auch ein Türke ein, da er nicht damit einverstanden war, dass drei auf einen losgingen.

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APA/Helmut Fohringer

Ein Verhandlungssaal des Straflandesgerichts Wien

„Niederstechen in Afghanistan erlaubt“

Das Geschehen verlagerte sich auf den Keplerplatz, wo mehrere Zeugen mit ihren Handys mitfilmten. Das Gericht erhielt so die Möglichkeit, die Tat im Gerichtssaal vorzuführen. Der nach eigenen Angaben 18-, laut Gutachten aber mindestens 19-Jährige, ließ einen Begleiter bei der ums Eck gelegenen Wohngemeinschaft der Asylanten anrufen, damit ihm ein Freund von dort ein Messer zum Keplerplatz bringt. Der kam der Bitte umgehend nach - mehr dazu in Streiterei in U1: Lebensgefahr nach Messerstich.

Im folgenden Kampf bekam ein Tschetschene eine vier Zentimeter breite und zehn Zentimeter tiefe Wunde im Oberbauch ab, die Dick- und Dünndarm perforierte. Für ungläubiges Kopfschütteln des Richtersenats sorgte jener Beschuldigte, der das Messer gebracht hatte. Dieser entschuldigte sich, er hätte nicht gewusst, dass es in Österreich verboten wäre, jemanden niederzustechen. „Sie wollen mir jetzt nicht erzählen, dass das in Afghanistan erlaubt ist?“, meinte ein Richter. „Doch, in unserer Provinz ist das so.“

Drei Landsleute als Beitragstäter angeklagt

Da sie wegen der Waffe angerufen, bzw. das Messer gebracht und bei der Schlägerei weitergereicht hatten, saßen nun auch die drei 17-Jährigen Landsleute des Afghanen auf der Anklagebank. Die Jugendlichen wurden aber aufgrund fehlender Flucht- oder Verdunkelungsgefahr auf freien Fuß gesetzt. Zudem seien sie in der Wohngemeinschaft „gut integriert“, meinte Richterin Beate Matschnig.

Der Hauptangeklagte verantwortete sich damit, dass der Türke ein Messer gehabt hätte. Davon war jedoch weder auf den Videos etwas zu sehen noch hatten Zeugen davon etwas bemerkt. Zudem sei er mit seinen Freunden eindeutig in der Überzahl gewesen. Er habe jedenfalls Angst gehabt und wollte sich mit dem Messer nur verteidigen, sagte der Beschuldigte aus. Nach längerem Nachfragen, warum er dann dem Tschetschenen und dem Türken nachgelaufen sei, gab der 19-Jährige zu, dass er auch aggressiv gewesen sei.

Eine frühere Sozialarbeiterin der Wohngemeinschaft berichtete, dass die Messer eigentlich immer im Zimmer der Betreuer verwahrt wurden und nur für das Kochen ausgegeben wurden. Dann konnte es aber auch sein, dass es, wie in diesem Fall, stundenlang in der Küche lagen. Die Messer wurden deshalb verwahrt, „da es immer wieder Konflikte gab, wo sie sich gegenseitig damit bedroht haben.“ „Dann haben sie eben einfach Brotmesser genommen. Man kann nicht alles verhindern“, so die Zeugin.

Opfer erschien nicht zum Prozess

Zwei Zeugen, darunter das niedergestochene Opfer, waren nicht zum Prozess erschienen. Das Opfer war im Mai des Vorjahres lediglich zu Besuch bei seiner Schwester in Wien gewesen. Nun wollte er nicht als Zeuge von Vorarlberg nach Wien kommen, weil er sich das nicht leisten könne. Als ihm versichert wurde, dass die Kosten vom Gericht übernommen werden, kündigte er sein Erscheinen zum nächsten Verhandlungstag am 22. März an. Um auf Nummer sicher zu gehen, soll der Tschetschene jedoch polizeilich vorgeführt werden.