Polizist schlug Obdachlosen: Prozess vertagt

Der Prozess gegen einen Polizisten, der einen Obdachlosen geohrfeigt haben soll, ist am Nachmittag vertagt worden. Das mutmaßliche Opfer war nicht erschienen. Die Verfahren gegen zwei weitere Polizisten wurden diversionell beigelegt.

„Er hat mich untergriffig provoziert“, so der Polizist. Er bekannte sich zum Vorwurf schuldig. Das Verfahren gegen den Hauptangeklagten musste jedoch auf 4. Juni vertagt werden. Der Obdachlose, dem der 55-jährige Polizist vier Ohrfeigen versetzt haben soll, kam seiner Zeugenladung nicht nach. Die Staatsanwältin bestand auf der Einvernahme des 56-Jährigen, der bis zum nächsten Termin stellig gemacht werden soll. Der unmittelbare Täter muss im Fall eines Schuldspruchs mit maximal einem Jahr Haft rechnen.

Polizisten vor Gericht

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Zwei Beamte und ein Polizeischüler müssen sich vor Gericht verantworten

Diversion für Mitangeklagte

Den beiden Begleitern des Hauptankgeklagten drohten Haftstrafen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren. Ihnen wurde Amtsmissbrauch vorgeworfen, wofür das Strafgesetzbuch einen deutlich höheren Strafrahmen vorsieht als für Körperverletzung. Selbst die Staatsanwältin nannte das in ihrem Eingangsvortrag „skurril“.

Das Verfahren wurde für die beiden Mitangeklagten diversionell erledigt. Bei beiden sei „der Schuldgehalt gering“, begründete der Richter die Entscheidung. Die zwei wären in die Sache „völlig unschuldig hineingezogen worden“. Sie müssen Geldstrafen bezahlen. Sobald die Beträge beglichen sind, wird die gegen sie gerichtete Anzeige zurückgelegt. Die beiden Beamten gelten damit weiter als nicht vorbestraft. Ob sie weiter Polizeidienst versehen dürfen, muss intern in ihren jeweiligen Disziplinarverfahren geklärt werden. Die Diversion ist allerdings noch nicht rechtskräftig, die Staatsanwältin gab dazu vorerst keine Erklärung ab.

Von Sozialarbeitern gerufen

Der Hauptangeklagte ist seit 34 Jahren bei der Polizei tätig und hatte sich bis zum 2. Juli 2017 keine dienstlichen Verfehlungen geleistet. Gemeinsam mit einem jungen Kollegen und einem Polizeischüler wurde er damals in ein Übergangswohnheim in Penzing gerufen, wo die Sozialarbeiter mit einem Obdachlosen überfordert waren.

Der 56-Jährige war mit einem Hausverbot belegt, wollte das Heim, das er in Begleitung eines jüngeren Kumpanen in alkoholisiertem Zustand unerwünschterweise betreten hatte, aber nicht verlassen. Als ihn eine Betreuerin mit Nachdruck zum Gehen aufforderte, bedrohte er diese und trat gegen eine Türe. Die Frau verständigte darauf die Polizei.

Die Beamten versuchten den renitenten Mann zunächst im Guten aus dem Heim zu bringen. Dieser beschimpfte sie von Beginn an aufs Derbste. Als ihn der 55 Jahre alte Polizist gemeinsam mit einem 26 Jahre alten Kollegen, der erst vier Monate zuvor zum Inspektor ernannt worden war, in die Höhe heben wollte, ließ sich der Obdachlose fallen.

Mutter des Polizisten beleidigt

Weitere Kraftausdrücke folgten. Schließlich beleidigte er die Mutter des älteren Polizisten extrem derb, worauf diesem die Sicherungen durchbrannten. Der Polizist versetzte dem Obdachlosen mit der flachen Hand eine kräftige Ohrfeige. Nach einer kurzen Pause ließ er drei weitere folgen.

Obdachlosenunterkunft

ORF/Hubert Kickinger

Obdachlosenunterkunft in Penzing

„Wieso passiert Ihnen das nach 33 Dienstjahren?“, fragte Richter Stefan Romstorfer den Angeklagten. „Meine Emotionen sind hochgekocht“, erklärte dieser. Ihm wären die Nerven durchgegangen, „weil er sich abfällig über meine Mutter geäußert hat“. „Meine Mutter ist in meinen Augen die beste Mutter der Welt.“ Die gegen sie gerichtete Verunglimpfung habe er einfach nicht mehr hinnehmen können: „Ich konnte nicht an mich halten. Es ist mir ganz einfach passiert. Ich war sieben Jahre als Kontaktbeamter für Rapid-Fans zuständig. So etwas Untergriffiges ist mir dort nie passiert.“

Zweiter Polizist von Ohrfeigen überrascht

Neben dem 55-jährigen Polizisten mussten sich auch der zweite Polizist und ein Polizeischüler verantworten, denen die Staatsanwältin ankreidete, nicht eingeschritten zu sein, als ihr Kollege zuschlug: „Sie hätten die Zeit gehabt einzugreifen. Sie hätten einschreiten müssen.“ Zumindest der Polizist sah das auch ein: „Es tut mir leid, dass wir das nicht gemacht haben.“

Er sei „vielleicht überfordert gewesen, dass der Kollege hing’haut hat.“ Der 26-Jährige war erst vier Monate vor dem Vorfall in den Polizeidienst übernommen worden. Vom Hauptangeklagten, mit dem er gemeinsam Dienst versah, hätte er „viel profitiert“, erzählte der fast noch jugendlich wirkende Beamte: „Er hat Wert auf eine saubere Uniform und geputzte Schuhe gelegt. Aggressiv ist er bei einer Amtshandlung nie geworden.“ Insofern wären die Ohrfeigen „für mich überraschend gekommen.“

Da die Ohrfeigen in einem videoüberwachten Raum fielen, wurden die Szenen aufgezeichnet. Die Sozialarbeiter, die die Polizei gerufen hatten, speicherten die Aufnahme ab und leiteten diese an die Hausleitung weiter, die das Band der Polizei übermittelte. Auch der junge Polizist wurde darauf vom Dienst suspendiert. Der 26-Jährige lebt seither von 880 Euro monatlich. „Welche Ziele hatten Sie bei der Polizei?“, wollte der Richter abschließend von ihm wissen. „Das ist schwer zu definieren. Jetzt bin ich froh, wenn sie mich nicht raushauen“, erwiderte der Beamte.

Polizeischüler war „überfordert“

„Ich war in der Situation, in der ich mich befunden hab’, schlichtweg überfordert“, gab abschließend der Polizeischüler zu Protokoll. Im Unterschied zu den Beamten wurde er nach dem Vorfall nicht außer Dienst gestellt, sondern in den Innendienst versetzt. Mittlerweile wurde er als Inspektor übernommen, ein Disziplinarverfahren ist jedoch auch gegen ihn anhängig.

Der 36-Jährige hatte sich erst im vergleichsweise fortgeschrittenen Alter zu einer Karriere bei der Polizei entschlossen. „Vorher hab’ ich mir das finanziell nicht leisten können“, erklärte er dem Schöffensenat. Der Mann arbeitete zehn Jahre lang als Anlagentechniker, ehe er einen ausreichenden finanziellen Polster hatte, um umzusatteln. Als junger Bursch hätte ihn das Gehalt als angehender Polizist „abgeschreckt“, bemerkte er: „900 Euro netto, das war nicht attraktiv.“

Seiner Darstellung zufolge hätte er gar keine Möglichkeit gehabt, die verfahrensgegenständlichen Ohrfeigen zu verhindern: „Auf ein Mal hat’s a Watsch’n geben. Ich war perplex. Baff.“ Der Hauptangeklagte bezeichnete in seiner Einvernahme den 36-Jährigen als „die ärmste Sau bei dem Ganzen“. Dieser sei damals als Schüler „nur dabei gestanden. Dem kann man gar keinen Vorwurf machen, der kann nur zuschauen“.

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