Prozess gegen Menschenhändler eröffnet

Am Landesgericht ist ein auf mehrere Wochen anberaumter Prozess gegen neun mutmaßliche Mitglieder einer chinesischen Menschenhändlerbande eröffnet worden. Laut Anklage sollen 77 Chinesinnen nach Österreich gelockt worden sein.

Den Betroffenen sollen Jobs als Babysitterinnen, Küchengehilfinnen oder Haushälterinnen zugesichert worden sein. In Wahrheit habe man sie zur Prostitution gezwungen und in weiterer Folge ausgebeutet, indem ihnen teilweise bereits am Flughafen ihre Pässe, Mobiltelefone und sonstigen Habseligkeiten abgenommen wurden, berichtete Staatsanwältin Tamara Ranzdorf.

Dann hätte man die Mädchen in Sex-Studios gebracht und ihnen erklärt, sie hätten nun die von einer chinesischen Agentur bezahlten Reisekosten abzuarbeiten. Der Lohn für ihre Dienste soll den Betroffenen zur Gänze bzw. großteils abgenommen worden zu sein.

Hauptangeklagter als Koch angemeldet

Als Hauptangeklagter gilt ein 40-jähriger gebürtiger Chinese, der in der Bundeshauptstadt offiziell als Koch angemeldet war, in Wahrheit aber mehrere einschlägige Studios geleitet und den großen „Zampano“ gespielt haben soll. Sein Verteidiger Karl Bernhauser wies das zurück. Zutreffend sei zwar, dass sein Mandant entsprechende Etablissements betrieb. Zu Gewalt, Ausbeutung und dem Ausnützen von Zwangslagen sei es aber nie gekommen.

Die Frauen hätten genau gewusst, auf was sie sich einließen, als sie ihre Heimat verließen, erläuterte Bernhauser: „Die sind als Touristinnen gekommen und haben dann unter falschen Namen um Asyl angesucht. Indem sie erzählt haben, sie hätten in China Elfenbein-Knöpfe verkauft, ihren Mann verlassen oder ihr Haus bei einem Erdbeben verloren. Drei Monate später haben sie legal als Prostituierte gearbeitet.“

Anwalt: Keine Sex-Sklavinnen

In den Studios hätten die Frauen die Hälfte ihres Verdiensts behalten dürfen. 50 Prozent kassierte der Betreiber, „aber der hat auch alles, was zum Sexualverkehr nötig war, zur Verfügung gestellt. Präservative, Schminke, weiß der Teufel was“, betonte Bernhauser. Bis zu 8.000 Euro monatlich hätten die Prostituierten verdient. Eine hätte gar 100.000 Euro in die Heimat überwiesen: „Die sind nicht ausgebeutet worden. Die haben hier eine absolute Freizügigkeit genossen.“

Ihre Arbeitsplätze hätten sich die angeblichen Opfer teilweise sogar über Annoncen im Internet ausgesucht. Dort hätte es weder Aufpasser noch Kontrolleure gegeben. „Es kann keine Rede davon sein, dass sie wie Sex-Sklavinnen gehalten wurden“, meinte Bernhauser. Der Hauptangeklagte befindet sich seit mittlerweile 22 Monaten in U-Haft. „Mit seiner Inhaftierung hat sich nichts geändert“, betonte sein Verteidiger Karl Bernhauser, „denn in Wien allein gibt es derzeit 31 Studios, wo asiatische Damen ihre Dienste anbieten.“

Der Vorwurf, sein Mandant habe die Frauen vom Vormittag an bis spät in die Nacht hinein arbeiten lassen und bei Ausfällen Pönalen vorgeschrieben, sei absurd: „Wenn’s so gewesen wäre, gibt es in Österreich an jeder Ecke China-Restaurants, wo man als Chinesin hingehen und sagen kann, ich brauche Hilfe, ich möchte zur Polizei.“ Eine Prostituierte soll der Hauptangeklagte mehrfach vergewaltigt haben. Auch das wies der 40-Jährige zurück.

Mitangeklagte bestritten Schuld

Neben dem 40-Jährigen zeigten auch die weiteren Angeklagten wenig Schuldbewusstsein. Eine 55-Jährige, die als Dolmetscherin fungiert und die Betroffenen während ihrer Asylverfahren entgeltlich beraten haben soll, wies die Anschuldigung zurück, sie hätte sich in einer kriminellen Organisation verdingt und das Leid der jungen Frauen ausgenutzt.

„Sie ist bekannt in der Branche, dass sie für relativ geringes Geld Dolmetschdienste leistet und bei Behördengängen behilflich ist“, sagte die Rechtsvertreterin der Frau. Einige Mädchen hätte die 55-Jährige begleitet, „damit die überhaupt nach Traiskirchen hinfinden“. Weder hätte die Angeklagte die Betroffenen dort zu falschen Angaben angestiftet und sich damit des Asylschwindels mitschuldig gemacht noch diese finanziell ausgenommen: „Sie hat für ihre Dienste 20 oder 30 Euro bekommen.“

Jurist soll Geld für Behördengänge kassiert haben

Mitangeklagt ist auch ein 60-jähriger Jurist, der seit Februar 2016 eine mehrjährige Haftstrafe wegen Suchtgifthandels verbüßt. Zuvor war er in zwei bekannten Wiener Anwaltskanzleien als Mitarbeiter beschäftigt. Er soll die Prostituierten vor der Polizei und der MA 15 vertreten haben, wenn diese um ihre Arbeitsgenehmigungen vorstellig wurden bzw. sich behördlich bestätigen ließen, dass sie gesund waren.

Der Mann wies die wider ihn erhobenen Anschuldigungen zurück. Er habe sich nicht fälschlicherweise als Anwalt ausgegeben und auch nicht 1.000 Euro pro Behördengang kassiert. „Die Anklage ist schleißig“, meinte sein Rechtsbeistand Amir Ahmed. Das Verfahren ist vorerst bis Ende März anberaumt.