Schauspieler testen angehende Ärzte

Die Wiener Medizinische Universität beschäftigt 38 Profischauspielerinnen und -schauspieler, die angehende Ärzte prüfen. Sie werden für das Fach „Ärztliche Gesprächsführung“ als Simulationspatienten eingesetzt.

Birgit Thiel spielt seit dem Jahr 2010 Patientinnen vor Studierenden, die kurz vor ihren Praktika im Spital stehen. Zu Thiels Rollen zählt etwa eine Managerin mit Herzproblemen, die kurz bewusstlos war, sich aber gar nicht lange beim Arzt aufhalten will. Dieser muss aber so viele Informationen wie möglich über ihre Krankheitsgeschichte herausfinden. Thiel telefoniert in ihrer Rolle während des Arztgesprächs und unterbricht den angehenden Mediziner mehrmals.

Die Gespräche entstehen spontan. „Das geht nur, wenn es so authentisch wie möglich ist. Man ist wirklich beim anderen und reagiert in dieser Figur darauf“, erklärt Thiel gegenüber „Wien heute“. Für den angehenden Arzt Thomas Berndl war das Gespräch nicht einfach. „Man ist ein bisschen nervös beim Reinkommen, weil die Patientin doch recht aufgebracht war und ich nicht genau gewusst habe, wie ich am Besten den Einstieg finde“, sagt Berndl.

30 Rollen aus dem echten Leben

Der Schauspieler Vitus Wieser stellt gegenüber den Studenten etwa einen Alkoholiker dar, der seine Sucht nicht erkennen will. Die Schauspielerinnen und Schauspieler müssen 30 Rollen aus dem echten Leben und aus drei Bereichen lernen: Die Mitteilung einer schlechten Nachricht wie einer Krebsdiagnose, schwierige Persönlichkeiten und Psychiatriepatienten, etwa Suizidgefährdete.

„Überbringung eines Todesfalls, oder Krebsdiagnose, wo auch bei den Studierenden oft einfach Emotionen hochkommen, weil vielleicht aus dem privaten Bereich Dinge noch nicht so verarbeitet sind. Das ist dann schon intensiv“, sagt Wieser.

Simulationspatienten

Eingebildete Kranke gehören auf der MedUni Wien zum Alltag: Die Uni beschäftigt 38 Schauspieler, die als Simulationspatienten eingesetzt werden.

Schauspieler lernen keinen Text

„Die Simulationspatienten lernen keinen Text wie am Theater oder im Film, sondern sie lernen Biografien und Fakten. Dementsprechend kann jedes Gespräch anders aussehen“, erklärt Andjela Bäwert vom Teaching Center der MedUni Wien.

Nach den gespielten Gesprächen gibt es gegenseitiges Feedback und Coaching. „Das ist gar nicht so einfach oft, wenn man jemanden spielt, der Boarderliner ist oder eine Angststörung hat. Es ist sehr, sehr wichtig, bevor man noch das Feedback schreibt, gut aus der Rolle auszusteigen, damit man wieder seinen eigenen Namen kennt“, sagt Thiel.

Mehrere Stunden pro Woche stehen für die Schauspielerinnen und Schauspieler auf dem Spielplan. Die Rollen sind gefragt, denn jedes Jahr gibt es rund 100 Bewerberinnen und Bewerber, die sich einem Casting stellen, um einmal auf der „Bühne“ der MedUni zu stehen.

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