Ruf nach Zentren für seltene Erkrankungen

In Österreich sind etwa 500.000 Menschen von „seltenen und unbekannten Erkrankungen“ betroffen, in Wien mehr als 100.000. Der Ruf nach Ausbau von Behandlungsmöglichkeiten wird lauter.

Trotz der hohen Standards in der Medizin gibt es weltweit rund 8.000 „seltene und unbekannte Erkrankungen“, zu denen es wenig Daten und kaum Behandlungen gibt. Dazu gehören etwa angeborene Störungen der Immunabwehr, Augen- oder Stoffwechselerkrankungen. Von einer seltenen Krankheit spricht man, wenn weniger als eine von 2.000 Personen von ihr betroffen sind, so Elisabeth Förster-Waldl, Expertin von CeRUD, des Wiener Zentrums für seltene und unbekannte Krankheiten der MedUni Wien.

Eine seltene Erkrankung sind etwa jene Krankheitsbilder der Haut, wo von Schmetterlingskindern gesprochen wird.

Obwohl die Anzahl der an einer seltenen Erkrankung leidenden Menschen relativ gering erscheint, ist deren Gesamtsumme doch ziemlich erheblich. Nach Angaben der MedUni Wien schätzt etwa die Europäische Kommission, dass fünf bis acht Prozent der Europäer daran leiden, also etwa 27 Millionen Menschen. Orphannet, eine von 40 Ländern getragene und von der EU-Kommission unterstützte Plattform, vermutet sogar an die 20.000 seltene Krankheiten. Zu etwa drei Vierteln sind Kinder betroffen.

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Internationale Vernetzung ist wichtig

ALS und Kreutzfeldt-Jakob-Erkrankung

Viele der seltenen Erkrankungen betreffen das Gehirn oder das zentrale Nervensystem. Durch aktive Aufklärungsarbeit wurden einige von ihnen so bekannt, dass sie nicht mehr als selten wahrgenommen werden. Dazu gehören die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) mit einer Häufigkeit von 5,2 pro 100.000 Menschen und die Kreutzfeldt-Jakob-Erkrankung mit zwei Fällen je 100.000 Menschen.

Das Bündeln des Wissens über diese Krankheiten und die Therapiemöglichkeiten ist von großer Bedeutung. Laut Förster-Waldl werden Lösungen europaweit gesucht. Dafür sollen die Forschungen zu den seltenen Erkrankungen und die Gesundheitsversorgung gefördert werden. Ein Weg ist es etwa, durch weltweiten, anonymen Datenaustausch und einheitliche Begriffe „seltene Erkankungen“ schneller erkennen und behandeln zu können. Von ärztlicher Seite her werden daher mehr Fachzentren und deren Vernetzung gefordert.

Internationale Kooperation ist wichtig

„Einzelne dieser seltenen Krankheiten sind heute zumindest teilweise behandelbar geworden“, sagte Jörg Weber, Vorstand der Abteilung für Neurologie am Klinikum Klagenfurt. Verbesserte Möglichkeiten der Gen-Diagnostik etwa hätten dazu geführt, dass einige seltene Epilepsie-Formen exakt diagnostizierbar sind und wirksame Therapien entwickelt wurden. Ähnliche Behandlungserfolge gibt es bei der spinalen Muskelatrophie und der Stoffwechselkrankheit Morbus Pompe.

„Aufgrund der geringen Fallzahlen bestehen häufig keine oder keine ökonomischen oder wissenschaftlichen Anreize für die Entwicklung von Therapien“, erklärte der Neurologe. Die Pharmig, der Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs, wies auf ein weiteres Problem hin: eine ausreichende Zahl von Patienten für die klinischen Studien zur Erforschung von Arzneimitteln zu finden.

Daher sind internationale Vernetzungen von Expertisezentren umso wichtiger, um Fachwissen zu bündeln. Solche Zentren zu schaffen steht seit 2015 im Nationalen Aktionsplan für seltene Erkrankungen. Bisher sind laut Pharmig nur das EB-Haus Austria in Salzburg und die Onkologie am St. Anna Kinderspital in Wien zu solchen Zentren ernannt worden. Wichtig wäre eine Einbettung der Zentren in das EU-Referenznetzwerk ERN. Das hätte Impulse für den Forschungsstandort Österreich, an dem österreichische Forscher viel zu dem Thema beitragen könnten.

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