Missbrauch: Haftstrafe für Volleyballtrainer

Am Straflandesgericht Wien ist heute ein ehemaliger Volleyballtrainer zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Er soll 16 Jahre lang regelmäßig Mädchen missbraucht haben. Das jüngste war laut Anklage sechs Jahre alt.

Das Gericht verurteilte den Angeklagten wegen Missbrauchs von sechs unmündigen Mädchen in den Jahren 2000 bis 2016 zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren. „Wenn Sie nicht umfassend geständig gewesen wären, wäre die Strafe höher ausgefallen“, betonte Richterin Sonja Höpler-Salat in der Urteilsbegründung. Dem Angeklagten wurde zugutegehalten, „dass Sie nicht bis zum Äußersten gegangen sind. Es ist zu keinem Geschlechtsverkehr gekommen, was wir hier leider immer wieder erleben“.

Die Anklage

Schwerer sexueller Missbrauch, sexueller Missbrauch von Unmündigen, Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses und Herstellung und Besitz von kinderpornografischem Material.

Staatsanwältin Julia Kalmar war aus generalpräventiven Gründen für eine tat- und schuldangemessene Bestrafung eingetreten. Es bedürfe einer angemessenen Sanktion, „wo beinahe täglich Übergriffe in verschiedenen sportlichen Disziplinen ans Tageslicht kommen“. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Angeklagte hatte sich in seinem Schlusswort „bei allen geschädigten Mädchen und Eltern“ entschuldigt. Er hoffe, dass sie ihm irgendwann verzeihen können.

Angeklagter will Therapie machen

„Das war für mich nicht so, dass es für mich eine sexuelle Erregung war, dass ich das gemacht habe“, versicherte der Angeklagte. Auf Befragen seiner Verteidigerin räumte er dann jedoch ein, er wolle eine Therapie machen, „dass es nie wieder passiert, dass ich Kinder angreife. Das möchte ich behandeln“. Er habe nach seiner Festnahme „eigentlich alles verloren, was ich jemals besessen habe. Meine eigenen Kinder, die Erfolge im Volleyball, die Wohnung“.

Der Angeklagte war für einen großen heimischen Nachwuchsverein als Betreuer tätig. Er habe „eigentlich immer schon Mädchen“ trainiert, sagte er dem Schöffensenat. Nach der Trennung von seiner Frau und dem frühen Tod eines Sohnes hätte er sich „mehr und mehr in den Sport hineingearbeitet“ und sich „komplett rein auf den Sport konzentriert. Da habe ich meine Zuneigung, meine Anerkennung bekommen.“ Beim Gewinn einer österreichischen Meisterschaft hätte er von seinen Schützlingen „Zuneigung“ und „Nähe“ erfahren, „das kann man gar nicht erzählen“.

Auf Trainingslager oder in der Wohnung

Die Anklage wirft dem Mann vor, sich bereits zwischen 2000 und 2002 an einer 1991 geborenen Sportlerin vergangen zu haben. Sein jüngstes Opfer war sechs Jahre alt. Es handelte sich dabei um seine Enkelin. Diese soll er insgesamt 42-mal unsittlich berührt haben. Zu den Missbrauchshandlungen kam es in seiner Wohnung, auf Trainingslagern oder beim Beachvolleyball-Grand-Slam in Klagenfurt, wo er im Sommer 2016 mit einer Elfjährigen in einem Zelt campierte und sich an dem Kind vergriff.

Eine Betroffene penetrierte er laut Anklage mit dem Finger. Er hätte das Mädchen bei der Selbstbefriedigung beobachtet. „Daher kam es dazu, dass er ihr gezeigt hat, wie man das zärtlicher macht“, erläuterte Verteidigerin Irene Pfeifer. Das Mädchen war damals zehn Jahre alt.

Festnahme im Mai 2017

Die inkriminierten Fakten bezeichnete er als „Kurzschlusshandlungen“. „Gekannt habe ich sie alle, bevor sie mit dem Volleyball angefangen haben“, gab der 61-Jährige zu Protokoll. Er brachte die Mädchen zum Sport, gab ihnen teilweise auch Nachhilfe in Englisch und Mathematik. Auf die Frage von Richterin Höpler-Salat nach seinen sexuellen Präferenzen meinte der 61-Jährige: „Heterosexuell. Eher auf Ältere. Nicht auf Kinder.“ Als die Richterin wissen wollte, wann er zuletzt mit einer Frau intim wurde, antwortete der Angeklagte: „1989. Seitdem nie wieder.“ Damals hatte sich seine Frau scheiden lassen.

Aufgeflogen war der Mann in Klagenfurt, wo portugiesische Spielerinnen beobachteten, wie der Mann eine Elfjährige unsittlich berührte. Die Zeuginnen erstatteten Anzeige. Der Verdächtige wurde im Mai 2017 festgenommen. Seither sitzt er in U-Haft. Bei einer Hausdurchsuchung wurde kinderpornografisches Material sichergestellt, das er teilweise selbst hergestellt haben dürfte.

1.000 Euro Schadensgutmachung

Privatbeteiligtenvertreter Lian Kanzler, der drei Mädchen vertrat, betonte, der Angeklagte sei systematisch vorgegangen: „Er hat seine Opfer gezielt ausgesucht und zu ihnen eine emotionale Bindung aufgebaut. Er hat sie zu seinen Lieblingskindern gemacht und ihnen das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein.“ Kanzler machte deutlich, dass die Mädchen und jungen Frauen noch Jahre nach dem Erlebten an den Übergriffen leiden und teilweise von Schlafstörungen und Alpträumen geplagt werden.

Kanzler bekam je 1.000 Euro pro Betroffene an symbolischer Schadensgutmachung zugesprochen. Mit den darüber hinausgehenden Forderungen - Kanzler hatte für jede Betroffene 5.000 Euro verlangt - wurde er auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Unabhängig vom aktuellen Prozess ist bei der Staatsanwaltschaft Wien ein separates Ermittlungsverfahren gegen den Volleyballverein anhängig, für den der 61-Jährige als Betreuer tätig war - mehr dazu in Missbrauch: Ermittlungen gegen Volleyballverein.

Trainer müssen nun Führungszeugnis vorlegen

Der Österreichische Volleyballverband (ÖVV) hat auf das Bekanntwerden des Falles reagiert und von sich aus Konsequenzen gezogen. Ehrenamtliche Trainer müssen seither verpflichtend ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Für mögliche Betroffene und ihre Angehörigen wurde eine Anlaufstelle geschaffen. Die Kinderschutzeinrichtung die möwe bietet Schulungen und Beratungen an.

Links: