Suche nach „Horror-Hans“ kein Amtsmissbrauch

Ein Beamter der Justizwache soll Amtsmissbrauch begangen haben, weil er ein aktuelles Foto eines geflüchteten Häftlings im Vollzugsinformationssystem des Bundes angesehen hat. Der Beamte ist nun nicht rechtskräftig freigesprochen.

Die Staatsanwältin hatte dem Angeklagten in der Verhandlung am Wiener Landesgericht Amtsmissbrauch unterstellt. Er hätte in bewusster Schädigungsabsicht seine Neugierde befriedigt, indem er das unter den Datenschutz fallende Foto betrachtete, nachdem er erfahren hatte, dass „Horror-Hans“ geflüchtet war.

Angeklagter wollte Flüchtigen wiedererkennen

Unter diesem Namen war ein psychisch Kranker justizintern bekannt, der im Juli 2011 als zurechnungsunfähiger und brandgefährlicher Gewalttäter in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen wurde. Der paranoid Schizophrene hatte wenige Monate zuvor in der Wiener Justizanstalt Josefstadt eine Psychiaterin als Geisel nehmen wollen, indem er die junge Ärztin mit selbst gebastelten Stichwaffen bedrohte. Als ihr ein Beamter zu Hilfe kam, stach der Häftling den Mann und verletzte diesen lebensgefährlich.

Der nun angeklagte Justizwachebeamte bekam im Juni 2016 mit, dass „Horror-Hans“ aus einer Einrichtung in der Steiermark ntwichen war. „Ich bewege mich sehr viel im öffentlichen Raum, bin viel in der Natur unterwegs“, erläuterte der 49-Jährige einem Schöffensenat. Er kannte „Horror-Hans“ persönlich und habe sich deshalb dessen aktuelles Äußeres einprägen wollen, um ihn im Fall einer zufälligen Begegnung wiedererkennen zu können: „Ich hätte dann die Exekutive verständigt und den Notruf gewählt.“

Angeklagter „Kandidat für Waschmittelwerbung“

„Er kann Waschmittelwerbung machen, so lupenrein ist seine Weste. Er hat alles richtig gemacht“, lobte Verteidiger Nikolaus Rast die Einstellung seines Mandanten. Dieser hätte in ausschließlich dienstlichem Interesse gehandelt: „Er zeigt Einsatz, ist motiviert. Und dafür sitzt er nun hier. Ist es das, was die Staatsanwaltschaft St. Pölten will? Dienst nach Vorschrift oder Ich-mach-gar-nix-mehr?“

„Ich sehe es als ureigenste Aufgabe der Justizwache, an der Suche nach einem Geflüchteten mitzuwirken. Entweder durch Identifizierung oder Anhaltung“, stellte Peter Hofkirchner, der stellvertretende Leiter der JA Josefstadt im Zeugenstand fest. Das Gericht schloss sich dieser Sichtweise am Ende an. „Sie durften davon ausgehen, dass dienstliches Interesse vorliegt“, meinte die Vorsitzende. Dem Angeklagten sei es rein ums Anschauen des Fotos gegangen, das er nicht ausgedruckt und weitergegeben hätte.

Staatsanwältin erbat Bedenkzeit

Der Freispruch ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwältin erbat Bedenkzeit. Ein zweiter Justizwachebeamter, der ebenfalls das Foto von „Horror-Hans“ aufgerufen hatte, war bereits am vergangenen Mittwoch in erster Instanz freigesprochen worden.