Unfall im Lainzer Tunnel: Freisprüche

Nach einem Unfall auf der Baustelle im Lainzer Tunnel im Juli 2008 sind nun fünf Angeklagte freigesprochen worden. Ein Arbeiter war von einem 17 Tonnen schweren Fahrzeug erfasst worden, sein rechter Unterschenkel musste amputiert werden.

Am 15. Juli 2008 war ein Bauarbeiter auf der Großbaustelle von einem 17 Tonnen schweren Muldenkipper überrollt worden. Der damals 28-Jährige überlebte. Ihm musste allerdings der rechte Unterschenkel amputiert werden. Seit einem Jahr mussten sich der Gesamtbauleiter, zwei nachgeordnete Bauleiter, der Baustellenkoordinator und ein externer Sicherheitsfachmann wegen fahrlässiger Körperverletzung vor Gericht verantworten - mehr dazu in Arbeitsunfall: Prozess neun Jahre später.

Keine Vermessungen nach Unfall

Eine genaue Unfallaufnahme habe nicht stattgefunden, sagte der Richter am Montag in seiner Urteilsbegründung. Die Rettungskette habe gut funktioniert, nur: Als die Polizei am Unfallort eintraf, war bereits alles weggeräumt. „Wie der Unfall geschehen ist, kann ich mir nicht erklären“, sagte der Richter. Es habe keine Unfallskizze oder Vermessungen gegeben.

Lainzer Tunnel Unfall

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Neun Jahre nach einem Arbeitsunfall im Lainzer Tunnel sind fünf Angeklagte nicht rechtskräftig freigesprochen worden

Das Opfer kann sich an das Geschehene nicht mehr erinnern. „Und somit habe ich ein juristisches Problem. Da ich nicht weiß, wie der Unfall zustande gekommen ist, weiß ich nicht, welche Maßnahmen geholfen hätten, um den Unfall zu verhindern. Ich kann den Herren hier keinen Vorwurf machen“, sagte der Richter. „Die einzige Möglichkeit, den Unfall zu verhindern, wäre die Baustelle zu sperren. Und das ist im Rahmen des Unzumutbaren.“

Die Staatsanwaltschaft meldete gegen die Freisprüche Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld an. Die Anklägerin beantragte zudem gegen zwei in den Tunnelbau involvierte Unternehmen eine Geldbuße nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz. Auch in diesem Fall erfolgte ein Freispruch, wogegen die Staatsanwältin ebenfalls berief.

Anwälte: Tunnel als „Vorzeigebaustelle“

Die Anklage warf den Männern zahlreiche angeblich unfallkausale Versäumnisse vor. Sie sollen die sicherheitstechnischen und arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften außer Acht gelassen, den Muldenkipper aus Kostengründen nicht mit einem Kamerasystem ausgestattet und keine Sicherheitsevaluierung vorgenommen haben, obwohl es zwischen Oktober 2007 und März 2008 zu vier schweren Arbeitsunfällen gekommen war. Ein Arbeiter starb, als er zwischen einem Betonmischwagen und einem Spritzmobil eingeklemmt wurde.

Die Angeklagten und ihre Verteidiger wiesen jede Schuld für das inkriminierte Geschehen zurück. Es habe sich vielmehr um eine „Vorzeigebaustelle“ gehandelt, auf der es keine Beanstandungen gab. Dem verunglückten Arbeiter sprachen die Anwälte ihr Mitgefühl aus, machten zugleich aber deutlich, dass dieser in einem Bereich angefahren wurde, in dem er sich nicht aufhalten hätte dürfen. „Sämtliche Vorschriften wurden eingehalten“, hieß es. Bei der Baustelle hätte es sich um „ein Prestigeobjekt der ÖBB“ gehandelt. Über tausend Personen hätten dort über Jahre hinweg gearbeitet.

Freispruch für Fahrer

Der Muldenfahrer hatte nach Angaben der Rechtsvertreter den Arbeiter im toten Winkel nicht wahrgenommen. Der Arbeiter hätte im Rangierbereich nichts zu suchen gehabt. Sämtliche Mitarbeiter wären geschult worden, vor dem Betreten eines solchen Bereichs stets Blick- oder mündlichen Kontakt mit den Fahrern von Baumaschinen aufzunehmen, die den Schotter aus dem Tunnel transportierten. Der betroffene Arbeiter habe das unterlassen.

Der Fahrer des Muldenkippers ist schon vor geraumer Zeit in einem separaten Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen worden. Ihm wurde zugebilligt, keine strafrechtlich relevante Schuld auf sich geladen zu haben, da er aufgrund der Bauart des Fahrzeugs den Arbeiter nicht sehen konnte.