Wien sagt Nein zu Deutschklassen

Wien hat die von der Regierung geplante Regelung für Deutschklassen als undurchführbar abgelehnt. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) forderte zudem eine Rückkehr von der „Befehlsdemokratie“ zur „Konsensdemokratie“.

Man solle wieder halbwegs vernünftig miteinander reden. Die derzeitige Vorgansweise werde, so mutmaßte Häupl, tendenziell auch der Regierung schaden - „was aber mein geringstes Problem ist“. Die vom Bund vorgesehenen Deutschklassen seien pädagogisch widersinnig, stellten die Schulerhalter vor unlösbare Aufgaben und sorgten dafür, dass bestehende Klassen zerrissen werden, sind sich Häupl und Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (beide SPÖ) einig.

Jürgen Czernohorszky und Michael Häupl

ORF

Jürgen Czerohorszky und Michael Häupl

Klassen zerrissen, 500 Extraräume nötig

„Dieser Entwurf ist undurchführbar“, stellte Czernohorszky klar. Er bereite allen - sowohl der Verwaltung als auch Lehrern und Schülern - große Schwierigkeiten. Fast alle Wiener Volksschulkinder seien von der für Herbst geplanten Regelung in irgendeiner Form betroffen, warnte er. Aufgrund der „überstürzten“ Einführung müssten rund 15.000 Kinder aller Altersstufen, die bisher eine Deutschförderung erhalten hätten, in eigene Klassen gehen. Damit würden bestehende Klassengemeinschaften zerrissen - und das immer wieder.

Tatsächlich würden die Kinder aber für den Lernerfolg stabile Beziehungen brauchen. Außerdem stelle das Gesetz eine „riesengroße, unlösbare Herausforderung“ für die Direktoren dar. Rund 500 Extraräume wären in den Pflichtschulen dafür nötig: „Woher man die Klassen nehmen soll, darüber schweigt sich die Bundesregierung aus.“ Es sei abzusehen, dass Bibliotheks- und Werkräume dafür herangezogen würden, die dann nicht mehr benutzbar seien. Denn: „Zaubern kann niemand.“

Auch Kosten wären beträchtlich

Auch die zu erwartenden Kosten sind laut Stadt beträchtlich. Darum werde der im Finanzausgleich vorgesehene Konsultationsmechanismus ausgelöst. Die Mehrkosten sollen also dem Bund abverlangt werden, wobei Wien auch mit Protest anderer Länder bzw. Gemeinden rechnet. Allerdings, so wurde betont, sei das Gesetz auch bei Kostenübernahme durch den Bund nicht umsetzbar.

FPÖ und ÖVP fordern Ja zu Deutschklassen

Dem widersprach die FPÖ. Wien betreibe eine „Blockadepolitik“, sagte Vizebürgermeister Dominik Nepp. Die Warnung, dass die Regelung nicht umsetzbar sei, zeuge von „Sturheit“. Die „sinnvolle Integrationsmaßnahme“ sei auch finanzierbar: „Anstatt Kleinvereine zu fördern, die sich mit Integration beschäftigen, könnte man die Mittel heranziehen, um das Personal für die Deutschklassen zu finanzieren“, sagte Nepp. Auch dass es organisatorisch und baulich nicht möglich sei, Klassenräume zu finden, sei unwahrscheinlich. Denn die Zahl der Schüler würde sich nicht ändern - nur die Aufteilung.

Deutschklassen als „Gebot der Stunde“ für jene, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, sehen der nicht amtsführende ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitsch und ÖVP-Bildungssprecherin Sabine Schwarz: „Seit Jahren zeigen wir die Problemfelder im Bildungsbereich auf und legen Lösungsvorschläge vor. Doch die ideologischen Scheuklappen der Stadtregierung schränken das rot-grüne Sichtfeld nach wie vor ein.“ Wien dürfe nicht auf der Integrationsbremse stehen und mutwillig sinnvolle Maßnahmen blockieren, ergänzte ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer.

350 Unterstützungspersonen weniger

Schwere Kritik gab es auch an der Kürzung der Integrationsmittel für die Schulen. Das bedeute, dass rund 350 Unterstützungspersonen ab 2019 nicht mehr im Einsatz sein würden. Das Konzept der Entlastung für Lehrer werde zunichtegemacht für ein von „allen Experten abgelehntes“ Projekt der separaten Deutschklassen. Czernohorszky plädierte für die Evaluierung der bestehenden Förderung.

Wien hat auch verfassungsrechtliche Bedenken. Denn die im Pflichtschulbereich vorgesehene Ausgestaltungskompetenz der Länder werde damit beschnitten. Der Bund habe nur den Rahmen vorzugeben. Das Rathaus wird seine Bedenken auch im Rahmen der laufenden Begutachtung äußern, hieß es.

„Massive Ressourcen werden gebraucht“

Schüler, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, müssen ab kommendem Schuljahr je nach Schultyp verpflichtend eine gewisse Stundenanzahl eine Deutschförderklasse besuchen. Wien sieht die Qualität der Sprachförderung gefährdet. Das von ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann präsentierte Konzept der Deutschförderklassen wirft nach Ansicht von Czernohorszky und Stadtschulratspräsident Heinrich Himmer (SPÖ) gerade für Ballungsräume wie Wien viele Fragen auf. „Um die Qualität der Sprachförderung nicht zu verschlechtern, werden gerade Großstädte wie Wien massiv neue Ressourcen im pädagogischen Bereich, aber auch im Bereich der Infrastruktur brauchen“ - mehr dazu in Kritik an geplanten Deutschförderklassen.

Die Faßmann-Pläne

Im Jänner stellte Faßmann seine Pläne für verpflichtende Deutschklassen vor und konkretisierte damit das im ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramm festgeschriebene Vorhaben. Kinder, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, sollen gesondert unterrichtet werden. Doch die Trennung betrifft nicht jedes Fach - mehr dazu in Deutschklassen ohne gänzliche Trennung (news.ORF.at).

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