AKH-Primar will nur noch Notfälle behandeln

Angesichts voller Spitalsambulanzen schlägt ein Klinikchef am AKH Alarm. Peter Husslein von der gynäkologischen Abteilung will künftig Patienten abweisen und nur noch Notfälle behandeln. „Es kann so nicht weitergehen“, sagt er.

Das Gesundheitssystem stehe vor einem Kollaps, meinte Husslein in der ZIB2. Die Patientinnen und Patienten seien grundsätzlich bei Ärzten im niedergelassenen Bereich besser aufgehoben. „Man hat Volleyball mit uns gespielt, und wir spielen jetzt Volleyball zurück und schicken die Patienten dorthin, wo sie besser aufgehoben wären.“

Man habe das auch nicht selbst erfunden, sondern das Managementboard vom AKH habe alle Universitätskliniken aufgefordert, die Anzahl der ambulanten Kontakte in der medizinischen Universität im AKH zu reduzieren, so der Primar.

Banale Krankheiten in Ambulanzen

Zu viele Patienten werden derzeit in den Ambulanzen versorgt, die keinen Notarzt brauchen. Sie kommen, weil sonst keine Arztpraxis mehr geöffnet hat, oder werden von der Rettung aus Pflegeheimen gebracht, weil es dort keinen Arzt gibt.

„Da gibt es dann Leute, die kommen um 22.30 Uhr – und in der ihnen typischen Ehrlichkeit sagen sie auf die Frage ,Warum kommen Sie jetzt‘: Ja, weil der Heurige zumacht, weil die Zeit im Bild vorbei ist." Auf die Frage, warum sie nicht zu ihrem niedergelassenen Arzt gehen, sagen sie, da bekämen sie erst einen Termin in zwei Monaten. „Und das sind keine Einzelfälle“, resümierte Husslein.

Husslein: „Es kann so nicht weitergehen“

Peter-Wolf Husslein, Primar der Frauenheilkunde am AKH, bezeichnet das österreichische Gesundheitswesen als Wirrwarr.

Husslein fordert Leitlinien

Der Primar hat nun einen offenen Brief geschrieben und meint darin, dass das so nicht weitergehen darf. Er fordert, dass die niedergelassenen Ärzte erweiterte Öffnungszeiten anbieten.

Dazu sei es aber notwendig, die Finanzierung des Gesundheitssystems zu ändern: „Wenn ich sieben verschiedene Kostenträger habe, die alle die Kosten dem anderen zuspielen wollen, dann geht das nicht. Also, eine der Möglichkeiten, das Problem zu lösen, ist: Finanzierung aus einer Hand. Die andere eine Lösung ist: Leitlinien, damit man sinnvolle von weniger sinnvollen medizinischen Maßnahmen trennen kann.“

Unterstützung durch Patientenanwältin

Auf Seiten der niedergelassenen Ärzte brauche es mehr Angebot und längere Öffnungszeiten - da sind sich Ärztekammer und Patientenanwaltschaft einig. Patientenanwältin Sigrid Pilz meinte dazu: „Solange wir keine funktionierende Primärversorgungsstrukturen haben, so lange trägt man diesen Konflikt auf dem Rücken der Patienten aus.“

Sie fordert einen Ausbau der Primärversorgung mit längeren Öffnungszeiten oder Spitälern vorgelagerte Facharztzentren. Denn 90 Prozent der Gesundheitsprobleme im Bereich der Allgemeinmedizin seien in der Primärversorgung gut behandelbar, so Pilz. Auch Pilz sieht dringenden Handlungsbedarf in der Finanzierungsfrage: „Denn so, wie es jetzt läuft, hat jede Institution das Interesse, teure oder schwierige oder aufwendige Behandlungen dem anderen Träger in die Verantwortung zuschieben.“

Viele Ordinationen nicht besetzt

Grundsätzlich sei man bereit, die Spitäler zu entlasten, sagte Johannes Steinhart, Obmann der Wiener niedergelassenen Ärzte. Dazu benötige man mehr Ordinationen. „Wir haben auch einen Ärztemangel, der schon deutlich beginnt - wir haben nicht mehr besetzbare Ordinationen“, so Steinhart. Wichtig sei es auch, die Rolle des Hausarztes zu stärken. Nur so könne man Patienten davon abhalten, ins Spital zu gehen.

Beim Krankenanstaltenverbund werden laut eigenen Angaben keine Patientinnen und Patienten abgewiesen - alle, die in eine Ambulanz kämen, würden auch begutachtet. Das sei auch so im Wiener Krankenanstaltengesetz geregelt.

Auch Notfallmedizin und Augenheilkunde betroffen

Laut AKH ist die Ankündigung Hussleins, nur noch Notfälle zu behandeln, nichts Neues. Seit Jahren würden immer wieder Patienten abgewiesen und zu Haus- oder Fachärzten geschickt. Die Drosselung der Ambulanzversorgung betrifft neben der Klinik für Frauenheilkunde auch die Klinik für Notfallmedizin sowie jene für Augenheilkunde und Optometrie. Das Spital verwies auf den Zielsteuerungsvertrag aus dem Jahr 2016, in dem dieses Vorgehen vereinbart worden sei.

In dem Vertrag, der von Vertretern des Bundes und der Stadt unterzeichnet wurde, sei festgehalten worden, dass bis zum Jahr 2024 der Versorgungsanteil des AKH Wien am Gesamtanteil der Versorgung der Spitäler des Krankenanstaltenverbunds für den ambulanten Bereich bedarfsgerecht abgesenkt wird, hieß es in der schriftlichen Stellungnahme.

In einzelnen Fächern würden Patienten, die „die Hochspezialisierung einer Universitätsklinik“ nicht benötigen, an niedergelassene Fachärzte verwiesen. Zur Entlastung der Ambulanzen wurde im November 2016 die Allgemeinmedizinische Akutordination (AMA) eröffnet, die vom Ärztefunkdienst mit niedergelassenen Allgemeinmedizinern betrieben wird.