Kopfschuss-Prozess: Geschworener befangen?

Nächste Woche wird der Mordprozess gegen einen 28-Jährigen fortgesetzt, der einen Bekannten per Kopfschuss getötet haben soll. Möglicherweise muss ein Geschworener wegen Zweifel an seiner Unbefangenheit ausgeschlossen werden.

Der Geschworene arbeitet beruflich als Journalist und widmet sich dabei vor allem der Kriminalitätsberichterstattung. Über das prozessgegenständliche Geschehen hatte er knapp fünf Stunden nach der Bluttat berichtet, wobei er dabei über Informationen verfügte, die deutlich über den Inhalt der Presseaussendung der Landespolizeidirektion hinausgingen.

„Guter Draht“ zur Polizei?

Die Verteidiger Werner Tomanek und Philipp Wolm gehen davon aus, dass der Mann einen „guten Draht“ zur Polizei besitzt, weshalb sie einen Befangenheitsantrag gegen den Geschworenen eingebracht haben. Darin unterstellen sie ihm „ein generelles Naheverhältnis zur Polizei“.

Aufgrund seiner guten Kontakte habe der Geschworene bereits am Tag der Bluttat Informationen über polizeiliche Ermittlungsergebnisse erhalten und diese beruflich genutzt. Er habe sich - wie die Verteidiger aus dem Artikel des Journalisten herauslesen wollen - im Zuge seiner beruflichen Tätigkeit eine einseitige Meinung über den Sachverhalt gebildet und sei damit nicht unvoreingenommen und unparteiisch in die Hauptverhandlung gegangen, als er im Mordprozess gegen den 28-Jährigen zum Geschworenen bestellt wurde.

Voller Widersprüche

Der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (OGH) zufolge genügt bereits der bloße Anschein einer Voreingenommenheit, die einen Richter wegen Befangenheit von einem Verfahren ausschließt. Sollte dem Antrag der Verteidigung stattgegeben werden, müsste der Laienrichter durch einen Ersatzgeschworenen ersetzt werden. Darüber hinaus wollen die Verteidiger eine weitere Sachverständige beiziehen. Der 28-jährigen Angeklagte wird beschuldigt, am 16. April 2017 in Wien-Brigittenau, einen 26-Jährigen auf der Straße erschossen zu haben.

Bilder vom Tatort in Wien-Brigittenau

Eine Expertin für Blutspurenmusteranalyse soll die Widersprüche klären, die sich im bisherigen Verhandlungsverlauf zwischen den Angaben mehrerer Zeugen und den Feststellungen des Gerichtsmediziners und des Schießsachverständigen hinsichtlich des Tathergangs ergeben haben. Während die Zeugen geschildert haben, Täter und Opfer wären sich zum Zeitpunkt der Schussabgabe gegenüber gestanden, sind die zwei Gutachter überzeugt, das Opfer wäre mit zur Abwehr erhobenem rechten Arm am Boden gelegen und in dieser Position erschossen worden - mehr dazu in Prozess um Kopfschuss: „Wollte das nicht“.

Die Rechtsvertreter des Angeklagten wollen von der Expertin anhand von im Gerichtsakt befindlichen Tatort-Bildern und den Ergebnissen der spurenkundlich-molekulargenetischen Untersuchungen eine forensische Blutspurenmusteranalyse erstellen lassen. Damit erhoffen sie sich eine genaue Tathergangsrekonstruktion und damit eine klare Antwort auf die Frage, in welcher Position und Entfernung voneinander sich der Mordverdächtige und der Getötete befunden haben, als es krachte.

Angeklagte bereits einmal freigesprochen

In dem spektakulären Fall wurde der Angeklagte im vergangenen November nach einer mehrtägigen Hauptverhandlung von den Geschworenen einstimmig freigesprochen. Die drei Berufsrichter setzten diesen Wahrspruch allerdings wegen Irrtums der Laienrichter aus. Nun wird vor einem neu zusammengesetzten Schwurgerichtshof erneut verhandelt - mehr dazu in Kein Urteil nach Kopfschussprozess.

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