Kopfschuss-Prozess: 20 Jahre Haft

Im erneuten Prozess um einen Kopfschuss ist am Wiener Landesgericht am Dienstag ein 28-jähriger Mann wegen Mordes schuldig gesprochen worden. Er wurde - nicht rechtskräftig - zu 20 Jahren Haft verurteilt.

Das Schwurgericht entschied nach vier Verhandlungstagen einstimmig für einen Schuldspruch im Sinn der Anklage. Bei der Strafbemessung wurde die „kaltblütige Begehensweise aus nichtigem Anlass“ erschwerend gewertet, wie die vorsitzende Richterin darlegte. Mildernd fiel die bisherige Unbescholtenheit des 28-Jährigen ins Gewicht.

Bilder vom Tatort in Wien-Brigittenau

Die Verteidiger Werner Tomanek und Philipp Wolm legten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig. Der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab. Der 28-Jährige blieb während der Urteilsverkündung ruhig und gefasst und zeigte auch im Anschluss keine Emotionen.

Freispruch im ersten Verfahren

Der Mann soll am 16. April des Vorjahres einen 26 Jahre alten Bekannten in Wien-Brigittenau mit einem Kopfschuss getötet haben. Im ersten Prozess im vergangenen November war der gebürtige Kosovare von den Geschworenen noch freigesprochen worden. Die drei Berufsrichter setzten das Urteil wegen Irrtums der Laienrichter jedoch aus - mehr dazu in Kein Urteil nach Kopfschussprozess. Daher musste der Prozess nun wiederholt werden.

Angeklagter stellte sich nach Tat

Der neuerliche Prozess brachte nun nicht viele neue Erkenntnisse - und einige Fragen blieben offen. Um kurz nach 15.00 Uhr betrat der Angeklagte am Tag der Tat die Polizeiinspektion Pappenheimgasse und erklärte, er habe soeben „die Scheiße auf der Jägerstraße gemacht“. Er behauptete, er habe sich mit dem Opfer getroffen, offenbar ging es dabei um eine Frau, mit der beide Männer ein Naheverhältnis hatten.

Der Darstellung des 28-Jährigen zufolge ging sein Bekannter auf ihn los, beim Versuch, ihm mit seiner Pistole zwecks Verteidigung einen Schlag zu versetzen, habe sich unabsichtlich der Schuss gelöst. Das erzählte der Verdächtige jedenfalls vor bzw. im Zuge seiner Festnahme den Polizeibeamten. Später machte er zum Tatablauf keinerlei Angaben mehr. Im Prozess machte er nun von seinem Schweigerecht Gebrauch.

Angeklagter auf dem Weg zum Prozess

APA/Herbert Neubauer

Der Angeklagte vor Gericht - beim ersten Prozess im November

Der Staatsanwalt war demgegenüber überzeugt, dass es kein Schießunfall, sondern Mord war. Der Schütze habe unmittelbar zuvor eine SMS des späteren Opfers an die Frau mitbekommen, mit der er selbst eine außereheliche Affäre unterhielt, und diese Textnachricht so interpretiert, dass auch der Mann mit dieser mehr als nur bekannt war. Sofort habe er sich mit dem vermeintlichen Nebenbuhler ein Treffen ausgemacht und dazu eine geladene Pistole mitgenommen.

Rätsel um Schmauchspuren

Allerdings fanden sich an der Kleidung und an den Händen des Festgenommenen kaum Schmauchspuren, obwohl die Tatwaffe eine „Dreckschleuder“ war, wie jene Beamtin des Bundeskriminalamts einräumen musste, die die Pistole untersucht hatte. Der Expertin zufolge zeigten sich insgesamt „deutlich zu wenig“ Schmauchspuren, „um auf eine Schussabgabe schließen zu können“.

Unaufgelöst blieben in dem Verfahren auch die Widersprüche zwischen einem gerichtsmedizinischen Gutachten und den Angaben mehrerer Zeugen. Der Sachverständige ging davon aus, dass das Opfer auf dem Boden lag, als es von dem Projektil getroffen wurde. Das belegten nach seinem Dafürhalten die Blutspuren am Tatort. Mehrere Zeugen sagten demgegenüber aus, die beiden Männer seien gestanden, als der Schuss fiel.

Mordprozess: Kopfschuss in der Brigittenau

„Wien heute“- Reporter Lukas Lattinger meldet sich vom Landesgericht. Ein Kosovare wurde wegen Mordes zu 20-jähriger Haft verurteilt.

Ein Zeuge, der von den Angehörigen des Getöteten ausgeforscht worden war, sagte aus, er habe „ganz deutlich eine Waffe gesehen“. Der Mann habe „mit der Hand und der Waffe gleichzeitig“ zugeschlagen. Er habe sich aus Angst versteckt, dann habe er „nach einer gewissen Zeit“ einen Schuss gehört. Dann lag der Tote auf der Straße. Die Frage, ob er in dem auffallend großen Angeklagten den Bewaffneten wiedererkenne, konnte der Zeuge nicht beantworten.

Befangener Geschworener ausgetauscht

Zu Beginn war am Dienstag ein befangener Geschworener ausgetauscht worden. Der Antrag der Verteidigung auf Einholung eines weiteren Gutachtens wurde abgewiesen. Die von den Anwälten erwünschte Blutspurenmusteranalyse falle in den Zuständigkeitsbereich der Gerichtsmedizin, eine Expertise aus diesem Fachgebiet liege bereits vor. Es gebe keine Hinweise auf Mängel in diesem Gutachten, lautete die Begründung.

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