Bunkerwohnung über Drogenberatung

Direkt über einer Drogenberatungsstelle in Wien-Landstraße haben Mitglieder eines Suchtgiftringes eine Bunkerwohnung eingerichtet. Die Polizei hat 35 Personen festgenommen und 92 Kilogramm Drogen sichergestellt.

Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl und der Leiter der Außenstelle (ASt) West des Landeskriminalamtes (LKA), Oberst Georg Rabensteiner, sagten bei einer Pressekonferenz, dass mit der Flüchtlingswelle und danach eine Tätergruppe aus den nordafrikanischen Maghreb-Staaten eingeschleust wurde. Die Mitglieder der Bande hätten sich mit Drogenhandel und „allem, was das Strafgesetzbuch verboten hat“, beschäftigt.

Cannabishandel am Praterstern

Nach gewaltsamen Auseinandersetzungen am Brennpunkt Praterstern zwischen zwei anderen Gruppen, die mit Messern, Macheten und Schwertern ausgetragen wurden, sperrte die Polizei beide Banden ein. So entstand ein Vakuum, in das die nun ausgehobene Bande hineinstieß, wie Rabensteiner erläuterte. Sie übernahm den Cannabishandel am Praterstern und war auch am Donaukanal sehr aktiv.

Suchtgift

APA/ Polizei

92 Kilo Cannabis sichergestellt

Hinweise auf die Gruppe fanden die Ermittler bei mehreren Amtshandlungen. Die Gruppe Vagner der ASt West leitete daraufhin im vergangenen Sommer Strukturermittlungen gegen die Gruppe ein. Bereits im September stießen die Fahnder auf die Wohnung in der Radetzkystraße über der Drogenberatung. Neben einem Lager für Cannabisprodukte fungierte das Appartement auch als Verteilstation für Straßendealer sowie zum Teil als deren Quartier. Leiter der Wohnung war ein etwa 35-jähriger Algerier.

Als die Fahnder das Appartement stürmten, trafen sie ihn nicht an, wohl aber einige „Mitarbeiter“, die dabei waren, Cannabisprodukte für den Straßenhandel abzupacken, sowie eine 16-Jährige, die von einem Heim als abgängig gemeldet worden war. Der Verdächtige selbst wurde im November 2017 gefasst, er soll noch in dieser Woche seinen Prozess bekommen.

Drogen aus Italien per Mietwagen

Bei der Razzia in der Radetzkystraße wurde auch festgestellt, dass die Cannabisprodukte aus Marokko stammten und aus Italien per Mietwagen angeliefert wurden. „Wir haben das Kärntner Landeskriminalamt verständigt“, schilderte Rabensteiner. Kurz darauf wurde ein Kurier in einem Fiat Punto von der Autobahnpolizei Villach gestellt. Im Kofferraum fanden die Polizisten 58 Kilo Cannabisharz und -kraut. Der Kurier gab zu, dass er zumindest fünf Lieferungen mit jeweils rund 30 Kilogramm zugestellt hatte. Bei einer Razzia in einer Meidlinger Wohnung wurde eine komplette Lieferung sichergestellt.

Rabensteiner sagte, das Gros der Verdächtigen kam aus Algerien, Tunesien und Marokko, wobei sich die meisten als Algerier auswiesen. Etwa 20 Prozent sind afghanische, syrische und irakische Staatsbürger, die vor allem als Straßendealer beschäftigt waren. Mangels Vertrauens stiegen sie in der Hierarchie aber nicht auf. Bei den Festnahmen war prinzipiell von Gewalt auszugehen. Messer und Macheten, zumindest aber Rasierklingen kamen regelmäßig zum Einsatz.

Handel um 1,8 Millionen Euro betrieben

Der Bande wurde der Handel mit 182 Kilo Cannabisprodukten nachgewiesen, was auf der Straße etwa 1,8 Millionen Euro gebracht haben dürfte. Der Straßenverkaufswert der beschlagnahmten Drogen liegt bei rund einer Million Euro. Laut Rabensteiner verwendeten die 35 Verdächtigen 78 Identitäten. 20 der Beschuldigten sind bereits rechtskräftig verurteilt. Eines der führenden Mitglieder befindet sich noch auf der Flucht.

Bezirksinspektor Martin Glöckler, Ermittler der Gruppe Vagner in der Außenstelle West des Landeskriminalamtes Wien, sagte, es sei auffällig gewesen, dass die Verdächtigen aus den Maghreb-Staaten offenbar einander kannten. Die algerischen Mitglieder der Bande stammten aus derselben Region, die marokkanischen ebenso. Es dürfte sich um Freunde und Familie gehandelt haben.

Bandenmitglieder rekrutierten Asylwerber

Personen wie der etwa 35-jährige Algerier, die eine Bunkerwohnung und ein Dealerquartier kontrollierten, gehörten zur mittleren Führungsebene der Organisation. Sie suchten Flüchtlingsquartiere auf und rekrutierten dort: „Wenn du Geld verdienen willst, geh zum Praterstern. Dort wird man sich um dich kümmern.“ Landsleute aus Algerien, Tunesien und Marokko bekamen in den Wohnungen der Gruppe Quartier, Miete mussten sie nicht zahlen. Auch die Drogen, die sie am Praterstern und am Donaukanal verkaufen sollten, bekamen sie auf Kommission. „Am Abend wurde abgerechnet“, sagte Glöckler.

Wenn einer der Dealer nicht so spurte, wie das seine Chefs wollten, wurde er bestraft. Das ging bis zu Beschwerden bei seiner Familie zu Hause, dass er nicht ordentlich arbeitete, erläuterte der Drogenfahnder. Ausfälle durch Festnahmen mussten die Anführer der Gruppe nicht fürchten. Durch neue Rekruten konnten sie diese leicht kompensieren. Und dass die Festgenommenen redeten, gab es Glöckler zufolge auch nicht. Es herrschte die Omerta, das Gesetz des Schweigens. Um die Inhaftierten kümmerte sich die Organisation auch im Gefängnis.

Nachschubprobleme für Drogen gab es offenbar nicht. „Alle zwei, drei Tage wurde Ware in die Wohnungen geliefert, je nach Bedarf“, schilderte der Bezirksinspektor. Neben Drogenhandel zählten auch Raubüberfälle zum Geschäft der Gruppe.