Prozess gegen Kredithai auf Juni vertagt

Am Wiener Straflandesgericht ist am Dienstag ein seit Anfang April laufender Prozess gegen einen Kredithai auf Anfang Juni vertagt worden. Es wird ein weiterer Zeuge benötigt, um den Verbleib eines beträchtlichen Geldbetrags zu klären.

Ein 45-jähriger Mann soll seine Machenschaften vor über zehn Jahren begonnen haben, als er als selbstständiger Inkasso-Unternehmer und als privater Geldverleiher fungierte. Die Anklage wirft dem Burgenländer vor, private Kredite mit horrenden Zinsen an Menschen in prekären finanziellen Lebenslagen verliehen zu haben. Wenn sie nicht zahlen konnten, wurden sie laut Staatsanwaltschaft eingeschüchtert, bedroht und zum Teil auch geschlagen.

Angeklagter vor Gericht

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Der Prozess gegen den „Kredithai“ wegen Betrugs und Wucher läuft seit April

Mindestens 66 Fälle sind bekannt - der Angeklagte verlangte Wucherzinsen in der Höhe von zehn bis 25 Prozent monatlich. Die Vereinbarungen wurden nur mündlich abgeschlossen, so die Staatsanwältin beim ersten Prozesstag im April.

15 Prozent Zinsen pro Monat für 2.500 Euro

Ein Urteil im „Kredithai-Prozess“ ist für Dienstag erwartet worden. Verteidiger Andreas Reichenbach beantragte jedoch die Einvernahme eines weiteren Zeugen, um den Verbleib eines beträchtlichen Geldbetrags zu klären, den der Angeklagte vereinbarungsgemäß weitergeleitet und nicht für sich behalten haben will.

Zu Wort kamen am Dienstag noch einige der Opfer: Ein 71-Jährigen Mann hatte sich von dem Kreditverleiher 2.500 Euro ausgeborgt. Er war mit seinem Betrieb in den Ausgleich geschlittert, nachdem er offene Verbindlichkeiten von 700.000 Euro nicht mehr bedienen konnte. „Das hat eine gewisse Lücke in mein Budget gerissen“, verriet der 71-Jährige im Zeugenstand dem Schöffensenat. Dass er für die 2.500 Euro monatlich 15 Prozent an Zinsen bezahlen musste, nahm der 71-Jährige in Kauf: „Ich wollte, dass es schnell geht. Es war relativ unkompliziert.“

Aktenordner

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Bis zu 66 Opfer zahlten laut Anklage Wucherzinsen an privaten Geldverleiher

26-jähriger Kreditnehmer: „Er hat mir geholfen“

Ein 22-Jähriger nahm im Auftrag seines Vaters die Dienste des Kredithais in Anspruch. Jener war im Privatkonkurs, benötigte aber 500 Euro für das Pickerl, um weiter mit seinem Pkw mobil zu bleiben. Das Darlehen kostete den Sohn monatliche Zinsen von 75 Euro.

Ein 26-Jähriger benötigte wiederum 1.500 Euro, um seine zukünftigen Schwiegereltern in Deutschland besuchen zu können. „Ich war nicht mehr kreditwürdig“, erläuterte dieser Zeuge dem Gericht. Dass ihm der Angeklagte monatliche Zinsen von 200 Euro in Rechnung stellte, fand der junge Mann nicht besonders schlimm: „Er hat mir geholfen. Es gibt nicht viele Leute, die Geld austeilen.“

Teilweise schuldig bekannt

Die Schuldner gaben während des Prozesses an, nichts über die Laufzeit bzw. über Verzugszinsen gewusst zu haben. Der 45-Jährige legte nur die monatlichen Zahlungen fest. Im Falle von Verzug setzte der Burgenländer auch Strafzinsen an, deren Höhe er laut Anklägerin willkürlich festsetzte.

Ein Schuldner versuchte sich sogar das Leben zu nehmen, weil er nicht mehr weiter wusste. Er ist bis heute in psychologischer Behandlung. „Der war doch selber ein Kredithai. Er hat sich selber 30.000 Euro ausgeborgt, um ins Geschäft einzusteigen. Dann hat er das meiste selber ausgegeben und jetzt ist er untergetaucht“, rechtfertigte sich der Angeklagte, der sich vor dem Schöffengericht für teilweise schuldig bekannte.

Füße Polizisten und Opfer

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Laut Polizei wollte der 45-Jährige bis 2020 450.000 Euro erwirtschaften

Soll mit Prostitution gedroht haben

„Das mit den Wucherzinsen war illegal“, gab der Beschuldigte zu. Doch er habe die Leute weder bedroht noch verletzt. Sein Anwalt betonte, dass die Schuldner von Zinsen in Höhe von zehn bis 15 Prozent gewusst hätten. Der 45-Jährige sei für viele „der letzte Rettungsanker“ gewesen. Er habe den Leuten in Not geholfen, damit sie nicht ihre Wohnung verlieren, „aber das hatte seinen Preis“.

Ein ganz anderes Bild des Angeklagten zeichnete eine junge zweifache Mutter aus Niederösterreich. Sie wurde von dem 45-Jährigen mehrfach unter Druck gesetzt und bedroht, da sie ihre Raten nicht zahlen konnte. „Wenn ich nicht pünktlich zahle, dann muss ich das abarbeiten, sagte er“, berichtete die 28-Jährige. „Wie darf ich das verstehen?“, fragte die Richterin. „Na, am Strich.“

Von der Zelle heraus Schuldner bedroht

Als der 45-Jährige mitbekam, dass Mitte 2017 bereits die Polizei gegen ihn ermittelte, engagierte er zwei Tschetschenen, die für ihn als Geldeintreiber fungierten und den Schuldnern weiter Furcht einflößen sollten. Die Polizei fand bei einer Hausdurchsuchung einen vom 45-Jährigen erstellten Sparplan. Bis zum 1. März 2020 hätte er mit seinen Machenschaften 450.000 Euro erwirtschaften wollen.

Auch nach seiner Festnahme ließ er sich nicht davon abhalten, seine Klienten aus der Haftzelle mit illegal beschafften Mobiltelefonen zu kontaktieren. Kurz vor Prozessbeginn soll die Frau des Angeklagten versucht haben, die Zeugen dahin gehend zu beeinflussen, dass sie für den 45-Jährigen aussagen. Dem Angeklagten werden neben schwerer Erpressung auch Geldwucher, Körperverletzung, Betrug, gefährliche Drohung und falsche Beweisaussage vorgeworfen.