Fluglärm über Wiens Dächern nimmt zu

Heuer finden mehr Landeanflüge über dem Stadtgebiet von Wien statt als vereinbart. Schuld daran ist laut Austro Control der häufige Ostwind auf dem Flughafen Wien-Schwechat. Die Austro Control sieht nur eine Lösung für das Problem: die dritte Piste.

Wiener Dachterrassenbesitzer haben möglicherweise einen lauten Frühling erlebt. Bei Ostwind oder Südostwind müssen Landungen am Flughafen auf der Piste 11 stattfinden. Diese Landeroute führt über das Stadtgebiet, unter anderem über den 13. und 14. Bezirk. Sie sollte so selten wie möglich benutzt werden, ein jährlicher Richtwert von 11,5 Prozent ist vereinbart. Während der Richtwert in den vergangenen beiden Jahren sogar unterschritten wurde, scheint er aktuell nicht mehr erreichbar.

Etwa 20 Prozent aller Flugzeuge landen zurzeit über die Piste 11. Das habe Sicherheitsgründe und sei alternativlos, beteuert die Flugsicherheitsbehörde Austro Control, die den Flugverkehr über Österreich steuert. „Wir haben normalerweise, speziell in den ersten fünf Monaten des Jahres, eher starke Südost- oder Ostwindlagen – so um die 20 Prozent herum. Heuer ist es besonders stark ausgeprägt, wir liegen bei über 40 Prozent“, sagt Christian Woborsky von der Austro Control.

Fluglärm

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Derzeit finden etwa 20 Prozent aller Landungen über die Piste 11 statt

Dritte Piste als mögliche Lösung

Im Herbst sollten sich die Werte wieder stabilisieren und der Jahresrichtwert von 11,5 Prozent erreicht werden, meint Woborsky. Vorerst wird es aber weiterhin regelmäßig Landeanflüge über die Piste 11 geben. Daran könnte nur die geplante dritte Piste etwas ändern. Sie soll den Fluglärm über der Stadt deutlich vermindern. Das behaupten zumindest ihre Befürworter.

Mit den Befürwortern steht Wolfgang Hesina tagtäglich in Kontakt. Er leitet das Dialogforum, wo Bürgerinitiativen, Gemeinden, Länder, die Flughafen Wien AG und auch die Austro Control über Lärmschutz und neue Flugrouten diskutieren. Hesina erklärt, wie die dritte Piste den Fluglärm über der Stadt verringern würde: „So, wie sie derzeit geplant ist, würde die dritte Piste parallel zur Piste 11/29 verlaufen - und zwar in 2.400 Metern Entfernung. Sie könnte bei Ostwind dann alternativ auch angeflogen werden.“

Grafik 3. Piste

APA/Martin Hirsch

Die geplante dritte Piste wäre 2.400 Meter von der Piste 11/29 entfernt

Das Dialogforum hat ausgehandelt, dass dieser Anflug dann „gekurvt“ erfolgen soll. Das würde dicht besiedelte Gebiete wohl entlasten. Was aber außer Frage steht: Durch die dritte Piste würde die Zahl der Landungen und Starts gleichzeitig steigen. Aus diesem Grund beteiligt sich eine beträchtliche Zahl an Bürgerinitiativen auch nicht am Dialogforum, das von der Flughafen Wien AG finanziert wird und grundsätzlich pro dritte Piste ist.

Mehr Fluglärm wegen Wetter

Heuer werden überdurchschnittlich viele Flugzeuge über die Stadtroute angeflogen. Grund dafür ist die Wetterlage.

„Fundamentalopposition bringt nichts“

Peter Kleemann, Sprecher des Flughafens, sieht eine „wirtschaftliche Notwendigkeit“ für die dritte Piste. Warum viele Bürgerinitiativen das Dialogforum verweigern, kann er nicht nachvollziehen: „Hier kann der Weg nur im Dialog, in der Kompromissbereitschaft und der Verhandlung liegen. Fundamentalopposition wird hier keine Ergebnisse bringen.“

Die angesprochene „Fundamentalopposition“ ist seit März sowieso auf den Rechtsweg angewiesen. Da hat das Bundesverwaltungsgericht den Bau der dritten Piste genehmigt - unter strengen Auflagen. Diverse Aktivisten haben zum letzten Rechtsmittel - einem Revisionsverfahren - gegriffen. Der Flughafen wartet nun die Ergebnisse dieses Verfahren ab, bevor er Investitionen trifft - mehr dazu in Höchstgericht soll dritte Piste stoppen.

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Der Flugverkehr nimmt weltweit zu, darauf will der Flughafen reagieren

Es wird auch Verlierer geben

Manfred Peter vertritt jene 15 Bürgerinitiativen als Obmann, die sich am Dialogforum beteiligen. Er verstehe „Argumente gegen das Wachstum des Flugverkehrs auf der Welt“, meint Peter. Gleichzeitig sieht er sich in der Verantwortung, konstruktiv mit dem Flughafen zusammenzuarbeiten, um das „bestmögliche Ergebnis“ für die Gemeinden herauszuholen: „Lärmschutz ist Umweltschutz, weil Lärm macht krank“, so Peter.

Auch für ihn überwiegen die Vorteile der dritten Piste. Andererseits stellt er klar: „Wo auch immer ich eine neue Piste hinbaue, wird es neue Belastete geben. Das muss man schon sagen.“ Sollte es tatsächlich einen Baubeschluss geben, will das Dialogforum noch einmal über die Flugrouten diskutieren und abstimmen. „Das wird ein schwieriges Unterfangen, da wird es um jeden Meter gehen“, so Hesina. Deshalb sind alle Prognosen zur dritten Piste und Lärmschutz zurzeit reine Theorie.

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Durch die dritte Piste würden weitere Gemeinden vom Fluglärm betroffen sein

Austro Control verspricht Entlastung

Auch der technologische Fortschritt im Flugverkehr könnte aktuelle Modelle erneuern. „Der gekurvte Anflug ist technisch erst seit Kurzem möglich. Wer weiß, was in zehn Jahren möglich ist“, meint Kleemann. Hesina pocht auf den Dialog: „Es wäre auf jeden Fall wichtig, dass sich alle Betroffenen am Dialogforum beteiligen. Wir schließen weiterhin niemanden aus.“

Frühestens 2030 könnte die dritte Piste fertig sein. Wo und wie ein Flugzeug dann zu landen hat, muss schlussendlich die Austro Control entscheiden. „Wenn wir eine dritte Option hätten, und diese Option Wien bei Anflügen vermeiden würde, dann würde es mit Sicherheit auch weniger Landungen über die Piste 11 geben“, legt sich Woborsky jedoch fest. Ob es überhaupt so weit kommt, steht allerdings noch in den Wolken.

Michael Hammerl, wien.ORF.at

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