Prozess: Soldat bei „Unfall“ getötet

Der Tod eines 20-jährigen Soldaten am 9. Oktober 2017 in der Albrechtskaserne ist im Straflandesgericht verhandelt worden. Der Angeklagte sprach von einem Unfall. Ein Zeuge sagte, der Angeklagte habe gerne mit der Waffe gespielt.

Gefasst und mit klaren Worten sagte der 22-jährige Maturant aus Salzburg, dass er unschuldig sei. Er habe den Kameraden und Freund getötet, es sei aber ein Unfall gewesen. Er habe mit zwei Kameraden Wachdienst gehabt, der 20-Jährige hatte gerade Ruhepause im Aufenthaltscontainer. Er habe mit ihm die letzte Zigarette teilen wollen. Der 20-Jährige habe nicht geschlafen, sondern mit seinem Handy gespielt.

An sich hätte der bewaffnete 22-Jährige sein Sturmgewehr vor dem Betreten des Ruheraums in einem Waffenständer abstellen müssen. Davon habe er „aus Zeitersparnis“ Abstand genommen, wie er dem Gericht darlegte. Er habe zweimal dessen Namen gerufen, ehe er am Eingang zum Ruheraum gestolpert sei, der Schuss habe sich gelöst - mehr dazu in Wachsoldat erschoss Kameraden.

Mit dem Getöteten habe er sich „perfekt verstanden“, so der Angeklagte. Der 20-Jährige - wie er mit türkischen Wurzeln - habe ihn nicht wegen seines Übergewichts gehänselt, während ihn andere „Jumbo“ nannten („Das hat mir aber nichts ausgemacht“). Stattdessen sei er von diesem auf Türkisch „Schatzi“ gerufen worden: „Wir haben uns einfach Kosenamen gegeben.“ Ein Zeuge, der sich an den Staatsanwalt gewandt hatte, sagte aus, der Getötete habe den Angeklagten „Dickerchen“ genannt. Das habe ihm der 22-Jährige im Gefängnis verraten.

„In seinem Gesicht war das blanke Entsetzen“

Ein dritter Soldat, der gemeinsam mit dem Angeklagten und dem Opfer das „Wachrad“ gebildet hatte, sagte vor Gericht aus, er habe Kameraden vor dem 22-Jährigen gewarnt. Dieser habe zum Zeitvertreib oft mit dem Gewehr gespielt: „Er hat geladen und entladen, das Magazin abgenommen, wieder aufgesetzt“, erinnerte er sich. Im Wachcontainer habe der später Getötete geschlafen. Der Angeklagte sei an ihm vorbeigegangen, habe zweimal den Namen des Schlafenden gerufen, dann fiel der Schuss.

Als er sich umdrehte, sah er den Angeklagten, der auf den auf der Pritsche in seinem Blut liegenden Kameraden blickte. Der Angeklagte hätte einen „erschreckten, verstörten Eindruck“ gemacht. Ähnlich schilderte es ein Offizier, der unmittelbar nach dem Schuss dazu kam: „In seinem Gesicht war das blanke Entsetzen.“ Der damalige Offizier vom Tag sagte vor Gericht, er habe bei der Übergabe dem Angeklagten vorschriftsmäßig eine mit Sicherheit ungeladene Waffe übergeben.

Unfallversion für Staatsanwalt nicht glaubhaft

Laut Staatsanwalt ist die Unfallversion nicht glaubhaft. Das Sturmgewehr könne sich durch ein früheres Herunterfallen zwar selbst laden, das müsse dann aber an der Patrone mit Kratzern nachweisbar sein. Solche Spuren konnte der Sachverständige jedoch nicht feststellen - mehr dazu in Mordanklage gegen Wiener Soldaten. Vielmehr sei es ein plötzlicher Entschluss gewesen, den 20-Jährigen zu töten, also Mord, so die Staatsanwaltschaft.

Laut einer Zeugenaussage wollte der Mann mit dem Jüngeren befreundet sein, was Letzterer aber nicht zuließ. Der Staatsanwalt war sich bewusst, dass diese Angaben, die der Angeklagte überdies als „komplett erfunden“ zurückwies, nicht unbedingt als Motiv „für diese Wahnsinnstat“ (Staatsanwalt) infrage kamen. „Wir wissen nicht, was den Angeklagten angetrieben hat“, räumte der Ankläger ein, „aber gerade bei Kapitalverbrechen gibt es oft kein erkennbares Motiv.“

Anklage stützt sich auf Schießgutachten

Der Angeklagte hatte zunächst zunächst Erinnerungslücken geltend gemacht. Erst später sprach er vom Stolpern. Die Kugel, die sich dabei gelöst haben soll, drang dem 20-Jährigen in den Kopf, der Mann starb an einer Hirnlähmung. Die Anklage stützt ihren Mordvorwurf unter anderem auf diese widersprüchlichen Angaben im Ermittlungsverfahren. Vor allem aber die Ergebnisse eines Schießgutachtens sind für die Ankläger wichtig. Diese ließen sich nicht mit der Version des Angeklagten in Einklang bringen.

Der Sachverständige habe festgestellt, dass sich das Sturmgewehr entgegen der Darstellung des Angeklagten beim Herunterfallen nicht nachlädt: „Er hat die Waffe bewusst geladen, indem er die Spannschiene zurückgeschoben hat.“ Außerdem sei es „eher unwahrscheinlich, dass ein junger Mensch derart über die eigenen Füße stolpert, dass er hinfällt“. Fazit des Staatsanwalts: „In dem Moment, wo er abgedrückt hat, wollte er das Opfer töten.“

Er selbst sei in den vergangenen Wochen dreimal gestolpert und habe sich dabei sogar verletzt, konterte Verteidiger Manfred Arbacher-Stöger (Kanzlei Rifaat). Für einen Mord brauche es „ein Mindestmaß an Motiv“. Im gegenständlichen Fall sei weit und breit keines zu sehen. Arbacher-Stögers Schlussfolgerung: „Ein Vorsatzdelikt gibt der Akt nicht her.“ Aus einem Schießunfall werde ein Mord gemacht. In Wahrheit sei alles ein „blöde Anneinanderreihung von Zufällen“.

Zeuge: „Nonstop von Unfall gesprochen“

Auf Antrag des Verteidigers wurde nach einer kurzen Pause jener Häftling als Zeuge vernommen, mit dem sich der Angeklagte unmittelbar nach seiner Überstellung in die Justizanstalt Josefstadt eine Zelle geteilt hatte. „Er hat nur geweint. Die erste halbe Stunde habe ich nicht mit ihm reden können. Bis in die Früh hat er nur geweint. Er hat nichts geschlafen“, sagte der Mann. Ihm habe der 22-Jährige berichtet, dass er seinen Kameraden habe aufwecken wollen und dabei gestürzt sei: „Er hat nonstop betont, dass es ein Unfall war.“ Die Verhandlung ist auf zwei Tage anberaumt. Beim zweiten Termin am kommenden Donnerstag, 14. Juni, sollen dann ausführlich die Sachverständigen zu Wort kommen.