Belvedere zeigt Schau zu „Canalettoblick“

Es ist eines der wohl berühmtesten Wien-Bilder und spielt eine zentrale Rolle im Heumarkt-Streit - der „Canalettoblick“. Das Belvedere widmet diesem jetzt eine Schau: von den Veduten des 18. Jahrhunderts bis zu den Renderings von heute.

„Es ist eine Ikone der Kunstgeschichte, der Wiener Stadtgeschichte und heute ein Reizwort“, bekundete Generaldirektorin Stella Rollig bei der Presseführung im Oberen Belvedere. „Sie werden aber weder in der Ausstellung noch von uns ein Urteil bekommen.“

Die Gefährdung des „Canalettoblicks“ auf Wien ist eines der Hauptargumente der Gegner des geplanten Hochhauses am Heumarkt. Erst am Dienstag entschied die UNESCO, dem Wiener Zentrum das Welterbeprädikat zunächst nicht abzuerkennen, ausgestanden ist die Debatte aber längst nicht - mehr dazu in Wiens Welterbe weiter auf Roter Liste.

„Jede Stadtdarstellung interessengetrieben“

Der Blick auf „Wien, vom Belvedere aus gesehen“, wurde 1760 von Bernardo Bellotto gemalt, der „Canaletto“ genannt wurde. Seither war er Vorbild für zahlreiche Stadtansichten. Im Streit um das geplante Hochhaus am Heumarkt wurde er nicht selten bemüht, um wahlweise die Verschandelung oder auch die Belebung des Stadtbildes durch das Bauprojekt zu illustrieren. „Jede Stadtdarstellung ist interessengetrieben“, fasst Rollig die Conclusio der Schau zusammen, die bereits dem Ursprungsbild nachweist, es mit der tatsächlichen Abbildung nicht ganz so genau genommen zu haben.

Ausstellungshinweis

„Der Canalettoblick“, 29. Juni bis 14. Oktober 2018, Oberes Belvedere

Bellottos Gemälde selbst ist freilich im Kunsthistorischen Museum und kann aus restauratorischen Gründen auch nicht von dort weg. Am Entstehungsort behilft man sich nun mit einem doppelten Livestream: vom Gemälde und vom Vorbild 258 Jahre später, einer Videoaufnahme aus dem Fenster des Obergeschoßes im Belvedere. Dort kann man die historische und heutige Perspektive auch mittels „Augmented Reality“ verschmelzen.

Varianten mit Schaumstoffpuppen und Früchten

Die topografisch reizvolle Blickachse über die barocken Gärten zur Silhouette der Stadt hat eine Kunstgeschichte für sich selbst geschrieben. Carl Moll wählte sie zum Hintergrund für ein Fruchtstillleben, Koloman Moser nutzte das Motiv für eine Vignette, Tina Blau malte es auf Holz, Gerhart Frank dekonstruierte es bei seiner Rückkehr nach dem Zweiten Weltkrieg in einer Serie, Kiki Kogelnik posierte in den 1960ern davor mit Schaumstoffpuppen, Erich Lessing lichtete es bei der Staatsvertragsunterzeichnung ab - die ganze Flucht des Belvederegartens gefüllt mit euphorischen Bürgern.

„Der Canalettoblick“ im Belvedere

Das Belvedere nimmt sich den „Canalettoblick“ vor und betritt mit der Ausstellung politisches Terrain - Stichwort Welterbe.

Wie mit dem Sujet in der medialen und von Bildern angetriebenen Debatte um das Heumarkt-Areal umgegangen wurde, das zeigt der hinterste Raum der Ausstellung mit Zeitungsausschnitten, Renderings und Grafiken. Der Turm wird von Gegnern als Schreckgespenst, von den Machern als moderne Bereicherung der Wiener Skyline inszeniert, mittels Farbe, Kontrast und Perspektive. Den Strategien der Maler und Vedutisten nicht ganz unähnlich - wenn auch mit direkteren Implikationen. Als wissenschaftliche Einrichtung wolle man der Debatte „Grundlagen liefern“, so Rollig.

Potenzial für kunsthistorischen Treppenwitz

Dass Wien das gleiche Schicksal ereilen könnte wie Dresden, dessen Elbtal aufgrund der Waldschlösschenbrücke der Welterbestatus 2009 aberkannt wurde, wäre zumindest kunsthistorisch ein Treppenwitz: Schließlich sorgte Bellotto selbst auch in Dresden für einen „Canalettoblick“, mit einem ikonischen Gemälde, das vom rechten Elbufer auf Hof- und Frauenkirche blickt.

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