Kinderschutz leidet unter Kompetenzdschungel

Es gibt Initiativen, Fachleute und Know-how, aber: Der Kinderschutz in Österreich leidet unter Geldmangel und einem Kompetenzdschungel. Das beklagten Fachleute am Freitag im Rahmen der Generalversammlung des Bundesverbands österreichischer Kinderschutzzentren in Wien.

„Ich erlebe Kinderschutz als private Initiative“, sagte Martina Fasslabend, Geschäftsführerin der Organisation Die Möwe, und wies auf den Föderalismus als einen der Gründe für die Vielfalt an Zuständigkeiten hin. Unbefriedigend sei, dass der Kinderschutz an Kompetenzstreitigkeiten leidet, sagte auch F-Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller. Tanja Windbüchler-Souschill, Kinder- und Jugendsprecherin der Grünen, sagte im Rahmen der Podiumsdiskussion, dass „der Fokus fehlt“.

„Was wir brauchen, ist Geld“

„Wir können uns nur um die schwersten Fälle sexueller Gewalt kümmern“, schlug Kinderschutz-Tirol-Geschäftsführerin Karin Hüttemann Alarm: „Was wir brauchen, ist Geld.“ Dabei gebe es für die Fachleute weit mehr zu tun, als sie derzeit imstande sind zu leisten - 2011 waren das mehr als 50.000 Klientenkontakte österreichweit.

Auf Bundesebene vernetzt:

Der Bundesverband der österreichischen Kinderschutzzentren mit Sitz in Wien wurde vor einem Jahr gegründet und versteht sich als Interessenvertretung des Kinderschutzes. Er vertritt 28 Zentren in Österreich und hat 17 Trägerorganisationen als Mitglieder.

Denn laut dem Bundesverband ist jedes vierte Mädchen und jeder siebente Bub von sexuellem Missbrauch betroffen, jedes vierte Kind von Gewalt in unterschiedlicher Ausprägung. 85 Prozent der Missbrauchsfälle geschehen in der eigenen Familie. Die Mittel fehlen mitunter für das Nötigste: Denn die Krankenkasse, so Hüttemann, übernimmt in Tirol nicht einmal in Fällen von sexuellem Missbrauch die Kosten für psychotherapeutische Betreuung der Opfern.

Kritik an ausstehendem Gesetz

Das Jugendwohlfahrtsgesetz, das Österreich einst den Ruf eines fortschrittlichen Landes auf diesem Gebiet einbrachte, datiert aus dem Jahr 1989. „Aber es trägt das Gedankengut der späten 70er Jahre in sich“, stellte Martina Staffe vom Wirtschafts-, Familien- und Jugendministerium fest. Für ein neues Kinder- und Jugendhilfegesetz liegt mittlerweile der vierte Entwurf vor, drei Bundesländer sind aber nicht mit der Finanzierung einverstanden, obwohl das Ministerium das Geld bis zum Ende des geltenden Finanzrahmens zugesagt habe.

Der jüngste Entwurf stellt nach Ansicht von Adele Lassenberger, Vorsitzende des Verbands der Kinderschutzzentren, ohnehin nur noch eine „Lightversion“ dar, und enthält „herzlich wenig von dem, was Kinder und Jugendliche zu ihrem Schutz brauchen“, wie Gerhard Herowitsch-Trinkl vom Dachverband der Jugendwohlfahrtsträger kritisierte: „Von einem modernen Gesetz ist nichts mehr übrig.“

Auf Bundesebene ist neben dem Familien- und dem Justizministerium auch das Sozialressort für Kinderschutz zuständig - dieses allerdings recht marginal. Minister Rudolf Hundstorfer (SPÖ): „Ich bin sozusagen das Reparaturinstrumentarium.“ In seine Kompetenz fallen das Verbrechensopfer- und das Besuchsbegleitgesetz. Ersteres soll durch eine Novellierung unbürokratischer werden. Für das Besuchsbegleitgesetz hätte Hundstorfer gern eine Ausdehnung - bloß fehlt es am Geld.

Link: