Dem typisch Wienerischen auf der Spur

Fiaker, Kellner und Heurigenmusiker: Sie stellen das typisch Wienerische dar. Mit der Ausstellung „Wiener Typen“ begibt sich das Wien Museum ab Donnerstag auf Spurensuche nach den authentischen, aber verschwundenen Stadtfiguren.

Straßenhändler, die ihre Ware anboten, ambulante Kleinhandwerker, die in Innenhöfen Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens reparierten oder die Wäschermädel, die an Wienfluss und Alserbach die Schmutzwäsche der Wiener reinigten: Sie alle sind „Wiener Typen“, typische Figuren der Stadt. In populären Bildserien wurden sie „typisiert“ und oft klischeehaft dargestellt.

Lumpensammler und Lavendelfrau

Ob Scherenschleifer, Schusterbub, Werkelmann, Lumpensammler oder Lavendelfrau, viele der damaligen Berufe sind heute längst verschwunden. Geblieben ist die urbane Folklore, die sie als das „urtümlich“ Wienerische personifizierte. Sie zirkulierten in vielerlei Medien wie Druckgrafik oder Fotografie, sie waren aber auch beliebte Sujets im Feuilleton und im Wienerlied.

Maronibrater, 1881
Foto von Emanuel Wähner

Wien Museum

Ein Maronibrater um 1881

„Kaufrufe“ als Vorläufer

Vorläufer des „Typen“-Genres waren die „Kaufrufe“, druckgrafische Serien mit Protagonisten des „einfachen Volks“, die in vielen europäischen Metropolen ab dem 16. Jahrhundert populär waren und in Wien im 18. Jahrhundert aufkamen. Ihr Name bezieht sich auf die eindringlichen Rufe, mit denen Straßenhändler und Hausierer im Lärm der Stadt auf sich aufmerksam machten und ihre Waren anpriesen. Das Wien Museum verfügt über einen großen Bestand sowohl an „Kaufruf“-Serien als auch an den späteren Darstellungen von „Wiener Typen“.

Scherenschleifer, um 1820
Josef Lanzedelli
Lithografie

Wien Museum

Scherenschleifer, um 1820

Die wirklichen Lebensumstände der Dargestellten blieben meist ausgeblendet. Viele „Typen“ entstammen der Unterschicht und kämpften mit einem harten Arbeitstag, der von bitterer Armut und extremer körperlicher Belastung geprägt war. So wirft die Ausstellung im Wien Museum nicht nur einen sozialhistorischen Blick auf die Unterprivilegierten, sondern erzählt zugleich eine Geschichte von „verschwundenen Berufen“.

Porzellanfiguren als früheste Darstellung

Porzellanfiguren, die um 1745 auf den Markt kamen und im Rokoko als festliche Tischdekroration beliebt waren, sind die frühesten „Kaufruf“-Darstellungen in der Ausstellung. Enorme Verbreitung fanden sie später im Biedermeier durch „Mandlbögen“ zum Ausschneiden und Spielen für Kinder und Erwachsene. Eine pädagogische Übung, die die gesellschaftliche Rolle der Unterschicht und die „natürliche“ Standesordnung spielerisch fortschrieb.

Ausstellungshinweis:

„Wiener Typen. Klischees und Wirklichkeit“, Wien Museum, 25. April bis 6. Oktober, Dienstag bis Sonntag, 10.00 bis 18.00 Uhr, Eintritt acht Euro.

Sendungshinweis

„Wien heute“, 19. Juni

Ab den 1870er-Jahren kam schließlich die Bezeichnung „Wiener Typen“ auf, ein Beispiel dafür ist Otto Schmidt, der das Figurenrepertoire erstmals in Fotoserien präsentierte, zunächst im Atelier, später auch auf der Straße aufgenommen. Das Bedürfnis nach dem Festhalten des Verschwindenden stieg, viele Hobbyfotografen suchten sich „Alt-Wiener“ Motive und fotografierten Straßenfiguren in authentischer Umgebung.

Auch künstliche Typen erschaffen

Zu den bestehenden gesellten sich künstliche Typen hinzu: Neben dem „Pülcher“, dem Inbegriff des proletarischen Nichtstuers und Kleinkriminellen, erfand der Journalist Eduard Pötzl den „Gigerl“, einen geckenhaften Modenarren, die „Frau Sopherl vom Naschmarkt“ diente als Urbild der derben „Öbstlerin“.

Pülcher, 1886
Foto von Otto Schmidt

Wien Museum

Pülcher, 1886

Eine echte Renaissance erlebte der Fiaker, der nach dem Zweiten Weltkrieg zur Paradefigur der Wiener Gemütlichkeit aufstieg und dem „typische“ Wiener Eigenschaften zugeschrieben wurden: Derbheit, Stolz, Lebenslust und Unterwürfigkeit. Bis heute hat sich der Fiaker als touristische Requisite in Wien gehalten.

Arbeit ging oft auf Kosten der Gesundheit

Einzelne Abschnitte der Ausstellung zeigen auch die Kehrseiten des Themas. Mit dem Ruf „Ha-der-lump!“ zogen etwa alte Frauen oder Arbeitsunfähige mit Butten auf dem Rücken umher, um Textilreste zu erbetteln, die sie an die Papierindustrie verkaufen konnten: Eine Kräfte raubende und vor allem extrem gesundheitsschädliche Tätigkeit - der tödliche Lungenmilzbrand hieß in Wien „Hadernkrankheit“. Hausierer dagegen wanderten oft hunderte Kilometer zu Fuß durch Europa, um ihren spärlichen Unterhalt zu verdienen, unter ihnen Tiroler Teppichhändler oder italienische „Salamucci“, Salamiverkäufer.

Salamiverkäufer, um 1780
Johann Christian Brand
Kupferstich

Wien Museum

Salamiverkäufer, um 1780

Begleitprogramm mit Lesung und Musik

Neben der Ausstellung bietet das Wien Museum ein umfangreiches Begleitprogramm: Mit „I bin da Limonimann“ findet am 30. April eine musikalische Hommage an die Wiener Volksmusikanten im Rahmen des „wean hean“-Festivals statt - mehr dazu in Heurigenmusik und Rap beim Wienerliedfestival. Außerdem wird Willi Resetarits am 7. Mai bei „Miststirla und Bredldörfla“ von „schiachen Jobs anno dazumal“ erzählen.

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