Eine (k)lebende Legende

Die rot-gelbe Sammel- und Tauschwut ist wieder ausgebrochen. Es gibt wieder das Panini-Sammelalbum zur Fußball-WM 2014 inklusive Pickerl zu kaufen. Kinderkram? Nicht unbedingt. Auch Erwachsene erliegen dem kultigen Zeitvertreib.

640 verschiedene Pickerl gilt es für das diesjährige Sammelalbum zur Fußball-WM 2014 in Brasilien zu ergattern. Das Heft selbst gibt es in Trafiken, Supermärkten und an Tankstellen um zwei Euro zu erstehen, jede Packung mit je fünf Pickerln kostet 60 Cent. Rein theoretisch, weil in der Praxis vollkommen unmöglich, sind das 128 Packungen, also 76 Euro und 80 Cent. Das schafft so niemand. Der Panini-Sammelkult ist demnach ein teures Hobby, bemessen auf die Zeitspanne, in der es ausgeübt wird. Spätenstens zu WM-Ende ist es nämlich uninteressant.

„Es ist es schon wert, weil es einem vor Augen hält, wie perfektionistisch man doch ist“, so Dominik Oswald aus Wien. Der 25-Jährige sammelt die Pickerl seit der Bundesliga-Saison 1996/1997, allerdings mit kurzer Unterbrechung, da er kurz einmal dachte, er sei herausgewachsen. Mittlerweile ist er seit vier Jahren wieder voll dabei. „Ich bin einer, der gleich zehn oder 20 Packungen auf einmal kauft. Man entwickelt den Drang, es fertig zu haben, sonst hat das ja alles keinen Sinn.“

Einkleben ins Album WM 14

APA/Roland Schlager

Auch zur WM 2014 sammeln nicht nur Kinder die bunten Pickerl.

Geteiltes Interesse an Tauschbörsen

Im Gegensatz zu vielen anderen passionierten Sammlern findet Dominik das Tauschen von Pickerln jedoch uninteressant. „Ich will das irgendwie alleine schaffen“, sagt er und würde lieber fehlende Pickerl bei Panini selbst nachbestellen, als zum Beispiel auf Tauschbörsen danach zu suchen. Dass sich dann, wie beim Album zur EM 2012, irgendwann 700 Doppelte stapeln, nimmt er dafür in Kauf - unter anderem der Nostalgie wegen.

Der in Wien lebende Daniel Spindler sieht das ähnlich und hält Tauschbörsen für Schummelei - Wettbewerbsverzerrung quasi. Als großer Fußball-Enthusiast hat der 23-Jährige die Pickerl jahrelang gesammelt, will sich das kurzfristig teure Hobby als Student aber heuer nicht mehr leisten. „Man muss ja doch fast mit mehreren hundert Euro rechnen“, sagt er. Daniel hofft zumindest, dass er der Sammel-Versuchung wirklich bis zum Schluss widerstehen kann.

Susi Ensberger, die gemeinsam mit ihrem Freund alle vier Jahre WM-Pickerl sammelt, findet jedoch Gefallen am Tauschgeschäft. Ob mit Freunden oder auch auf (Online-)Tauschbörsen wie stickermanager.com, die 31-Jährige nimmt das Angebot gerne an. Immerhin will sie ihr Heft vollbekommen. Eine neu gelaunchte, innovative Online-Börse ist außerdem mystickerbook.com, die letzte Woche bereits 400 Tauschvorgänge verzeichnen konnte und praktischerweise für alle Endgeräte optimiert ist. Getauscht wird jetzt also auch unterwegs.

Pickerltüten WM 14

Panini

Schon vor der WM 2014 werden Millionen von diesen Pachungen verkauft.

Vom Zeitungsstand zum Mega-Unternehmen

Dass das aber nicht nur online und anonymisiert funktioniert, beweist zum Beispiel alle zwei Jahre die beliebte Panini-Tauschbörse beim Radio FM4 EM- bzw. WM-Quartier im Wiener Veranstaltungszentrum WUK in der Währigerstraße 59. Es gibt dort die Möglichkeit, im Juni und Juli jede Menge doppelte Bilder loszuwerden, dafür neue einzukleben und gemeinsam das eine oder andere Bier zu trinken. Tauschen spart den Sammlern ja immerhin auch Geld.

Insgesamt werden trotzdem rund zwei Milliarden Sticker pro Weltmeisterschaft verkauft. 2014 werden sogar auf bis zu doppelt so viele gehofft. In den letzten 40 Jahren waren es mehr als 20 Milliarden Fußballbilder, die von Panini produziert wurde. Das Unternehmen, das heute weltweiter Marktführer bei selbstklebenden Stickern und Trading Cards ist und einen der wichtigsten Verlage für Comics, Jugendzeitschriften und Mangas in Europa und Lateinamerika unterhält, fing übrigens 1945 als klitzekleiner Zeitungsstand in Modena an.

Sendungshinweis:

Radio Wien am Wochenende, 12. April 2014

Dieser wurde von den Brüdern Guiseppe und Benito Panini eröffnet und führte neun Jahre später zur Gründung eines Zeitungsvertriebs, dem sich später auch die beiden anderen Brüder Umberto und Franco Cosimo anschlossen. 1961 veröffentlichten sie unter dem Firmennamen Panini schließlich das erste Sammelalbum mit Bildern italienischer Fußballmannschaften. Das Prinzip hält sich also schon über ein halbes Jahrhundert lang.

WM 14 Druckbogen

Panini

Ein Druckbogen, gemischt von der von Umberto Panini erfundenen „Fifimatic“.

Aus für die Verschwörungstheorien

Gut erhaltene, komplett bebilderte Alben haben übrigens einen kleinen Sammlerwert. Immerhin liegt der Standardpreis für solche bei 500 Euro, manche wurden sogar schon um fast 1.000 Euro verkauft. Das würde die Anschaffungskosten um einiges übertreffen. Vorausgesetzt natürlich, die eifrigen Sammler sind gewillt, ihre vollständigen Hefte wieder herzugeben.

Die Fifimatic

Die „Fifimatic“ ist eine automatische Packmaschine. Sie nimmt die Pickerl, deren Anzahl je nach Arbeitsprogramm variiert und packt sie dann in Tüten sowie Boxen.

Um auch gleich jeglichen Verschwörungstheorien ein Ende zu bereiten - es werden alle Pickerln gleich oft gedruckt. Es gibt nicht ein paar wenige Exemplare mit Seltenheitswert, die ganz besonders schwer zu bekommen sind. Auf seiner Website legt Panini auch den Mischvorgang dar. So werden die großen Druckbögen in sogenannte Quadrotten geschnitten und dann mithilfe der „Fifimatic“ so verpackt, dass nur unterschiedliche Bilder in eine Packung kommen und zum Einzelhändler Aufstellungskartons mit je allen Bildern einer Kollektion geliefert werden.

Sticker

Panini

Es gibt alle internationalen Fußballstars zum Einkleben.

Weitere Tauschbörsen gibt es zum Beispiel jeden Montag im SpielRaum in der Otto-Bauer-Gasse 17 in Mariahilf von 14 Uhr bis 18.30) und jeden Mittwoch von 16 bis 18 Uhr im Gasometer in Simmering.

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