Komm runter von der Palme!

Wenn sich jemand über etwas sehr aufregt, was steckt dahinter? Und wie bringe ich ihn mit den richtigen Worten „wieder runter“? Kommunikationsexpertin Nana Walzer hat beruhigende Tipps.

Wut ist die Antwort auf Bedrohung oder Provokation. Wenn es aber darum geht, jemandem von 1000 wieder auf 0 zu bringen, so ist weniger wichtig, warum der andere wütend ist. Natürlich können wir stundenlang über die Ursachen, über Täter, Opfer und Retter reden. Gründe gibt es immer, auch wenn sie in der Geschichte oder der Sichtweise des Wütenden zu finden sind – und mit der Realität der anderen vielleicht gar nicht so viel zu tun haben.

Sendungshinweis:

„Radio Wien am Nachmittag“, 6.4.2017

Ein Freund von mir regt sich zum Beispiel immer furchtbar beim Autofahren auf. Da ist eigentlich egal, warum. Er benützt diese Situation irgendwie als Art „Überdruckventil“, schreit und schimpft und kann so seinen Stress abbauen, der vielleicht ganz woanders her rührt. In diesem Moment gibt er dem anderen Verkehrsteilnehmer die Schuld. Dabei liegt aber vielleicht etwas völlig anderes, eine schwierige Situation in der Arbeit oder Beziehung dahinter. Was der Grund ist, ist in der Hitze des Gefechts noch gar nicht so wichtig: alleine zu wissen warum jemand wütend ist, macht den anderen noch nicht weniger wütend.

Wütender Geschäftsmann schreit seinen Laptop an

Colourbox.de

Von der Palme wieder runter bringen

Wenn jemand auf 1000 ist, so ist das meistens sehr unangenehm. Selbst wenn unser Gegenüber zu den cholerischen Typen zählt, bei denen das regelmäßige „Dampf-Ablassen“ einfach dazu gehört, ist der Zustand selbst nicht erfreulich. Zorn und Freude stehen einander diametral gegenüber. So wie Liebe und Hass zwei Pole auf derselben Achse bilden. Wie wir aus unserer Erfahrung wissen, hängen beide aber miteinander zusammen: Hinter Hass steht die Angst vor Ablehnung oder das Gefühl, abgelehnt zu werden. Hinter Zorn steckt ein Gefühl von Enttäuschung, also dass etwas positiv Erwartetes nicht der Fall ist.

Wenn sich jemand also total aufregt, dann gibt es für ihn einen Grund. Den müssen wir nicht kennen, aber er hat jedenfalls damit zu tun, dass etwas, was ihm Freude machen würde, gerade nicht der Fall ist.

Eine effektive Methode, einen Freund oder Partner von seiner Palme wieder runterzuholen besteht daher darin, ihn vom Pol der Aggression zu dem der Freude zurückzuholen. Deshalb funktioniert zum Beispiel Humor so gut zwischen Freunden. Auch die Vorfreude auf etwas Angenehmes und Gemeinsames kann wirken. Wie dass man gemeinsam auf ein Bier geht oder etwas anderes Nettes ins Auge fasst.

Worte zur Beruhigung

Wir können beispielsweise lautstark fragen, ob ihm das Toben tatsächlich Spaß macht: „Ist das jetzt echt lustig für Dich, so herumzuschreien?“. Oder wir können fragen, was er sich stattdessen Schöneres, Freudvolleres vorstellen könnte: „Gibt es etwas, das Dir jetzt lieber wäre als sauer zu sein?“. Dabei sind die Wortwahl und der Tonfall enorm wichtig ausschlaggebend. Wir wollen ja nicht weiter provozieren, sondern beim „Runterkommen“ helfen.

Eine andere Methode führt direkt rein in die Wut, schürt sie scheinbar, hilft aber eigentlich, sie abzubauen. Schreien Sie mit. Einfach im selben Tonfall, ohne etwas Bestimmtes zu sagen, mit einer gewissen Freude daran. Es wird den anderen irritieren und so auf seinem eingefahrenen Weg zumindest zum Innehalten bringen.

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Nana Walzer
Nana Walzer: „Die Kunst der Begegnung“