Michael Niavarani bei einem Skype-Interview
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Kultur

Niavarani: „Ich war unter Schock“

Kabarettist Michael Niavarani betreibt in Wien das Globe und das Simpl. Die Mitarbeiter musste er in Kurzarbeit schicken oder arbeitslos melden. Selbst war er wegen der Coronavirus-Krise kurz „unter Schock“. Nun arbeitet er an einem neuen Buch.

Michael Niavarani blickt auf eine lange Karriere zurück. Noch als Jugendlicher geht er ans Theater, spielt zunächst in tragischen Stücken, ehe er sich der Komik zuwendet. Der Sohn eines Persers und einer Wienerin ist einer der erfolgreichsten Kabarettisten und Schauspieler Österreichs. Mittlerweile führt er zwei Bühnen in Wien: das Globe in St. Marx und das Simpl in der Innenstadt.

Durch die Coronavirus-Pandemie sieht sich Niavarani mit einer komplett neuen Situation konfrontiert. Er arbeitet von daheim, verlässt die Wohnung nur zum Einkaufen. Er plant aber schon neue Stücke und ein neues Buch, wie er im Interview erzählt.

Das Kabarett Simpl in Wien
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Das Kabarett Simpl in Wien – die Mitarbeiter sind in Kurzarbeit oder arbeitslos

wien.ORF.at: Es melden sich zahlreiche Kabarettisten in der Krise: Ist das ein kreativer Ansporn?

Michael Niavarani: Der Druck ist sehr hoch, weil mir Historiker erzählt haben, dass Shakespeare in der Quarantäne wegen der Pest King Lear geschrieben hat. Das setzt mich unter Druck, und mir ist bisher noch nichts Gescheites eingefallen. Ich stelle mit Erstaunen fest, dass wir in der fünften Woche sind und ich immer noch nichts habe.

Wobei das nicht stimmt, ich schreibe gerade an einem neuen Buch. Darin geht es um mein Leben und um das Leben meiner Familie. Ich mache mich auf die Suche, nach meinen Urahnen in Wien. Da gibt es meinen Urgroßvater, der ist 1899 geboren und musste als junger Bursch in den Ersten Weltkrieg ziehen und als erwachsener Mann in den Zweiten Weltkrieg.

Wenn wir noch lange Zeit nicht spielen können, dann wird das Buch im Sommer oder im Herbst veröffentlicht. Wir arbeiten auch an zwei, drei neuen Theaterstücken. Aber es hat gedauert, ich war zwei Wochen unter Schock. Da ist die Kreativität nicht wirklich angesprungen. Wir haben zwar fleißig geblödelt in einem Podcast, aber ich konnte nicht wirklich was schreiben. Das geht jetzt schon.

wien.ORF.at: Bietet die Quarantäne Zeit für Vernachlässigtes? Wird es ein neues Soloprogramm geben?

Niavarani: In nächster Zeit glaube ich nicht, weil es wohl noch sehr lange dauern wird, bis wir wieder spielen können. Aber ich verspreche hoch und heilig: Der erste Tag, an dem wir spielen dürfen, an dem werde ich auf die Bühne gehen. Entweder alleine oder mit den Kollegen (Omar) Sarsam und (Klaus) Eckel, mit denen ich diesen Podcast mache. Ich nehme an, sogar die erste Woche werde ich auf der Bühne sein. Wann auch immer das ist.

wien.ORF.at: Wie trifft die Coronavirus-Krise die Mitarbeiter von Globe und Simpl?

Niavarani: Die sind betroffen wie alle anderen auch. Es ist eingeteilt in das Ensemble, das in die Arbeitslose gegangen ist. Da wäre es Betrug, wenn ich sagen würde, die arbeiten zehn Prozent. Die können nicht zehn Prozent arbeiten, weil es keine Vorstellungen sind. Bei den Technikern und bei den Leuten im Hintergrund im Büro ist es so, dass wir die zur Kurzarbeit angemeldet haben. Die arbeiten zwischen zehn und fünfzig Prozent, das betrifft jeden.

wien.ORF.at: Im Globe gibt es ja seit einigen Wochen ein neues Onlineangebot, wie wird das angenommen?

Niavarani: Also die Leute sind begeistert. Wir waren uns ja nicht ganz sicher, wenn wir da die ganzen alten Sachen raufgeben. Ich habe noch nie so viele nette Nachrichten bekommen wie zu diesem Globe Player. Solange dieser Shut-down gilt, gibt es das auch gratis. Wir werden vielleicht eines Tages eine Streamingplattform machen, auf der es auch neue Aufzeichnungen gibt. Momentan ist es dazu da, die Langeweile und auch die Angst zu erleichtern.

wien.ORF.at: Wie ändert sich der Alltag als Kabarettist?

Niavarani: Gar nicht. Man sitzt den ganzen Tag unnötig herum. Nur am Abend kommt man drauf, dass man gar keine Vorstellung hat. Der Tag ist gar nicht so anders, seltsam wird es um 18.00 Uhr, wenn ich mich normalerweise aufmache, um ins Theater zu gehen. Es ist natürlich schon was ganz anderes, wenn man nicht einkaufen oder in Buchhandlungen gehen kann.

wien.ORF.at: In einem Interview unlängst haben Sie gesagt: „Ich habe keine Fixpunkte im Leben, außer den Auftritt um 20 Uhr.“ Ist die Situation perfekt gerade?

Niavarani: Ich hoffe, dass diese Quarantäne nicht zu früh zu Ende geht. Ich sitze nur daheim, werde blader und blader – und keiner sieht es, weil ich nicht nach draußen gehen kann. Es ist wirklich großartig. (lacht) Nein, es ist natürlich nicht perfekt. Es fehlt mir der Kontakt zu Menschen. Das wirklich Schlimme ist das ununterbrochene Telefonieren und Skypen, sonst wäre die Quarantäne ganz angenehm. Es ist aber weit davon entfernt, der Idealzustand von meinem Leben zu sein.

Das Globe in der Marx-Halle
APA/Herbert Pfarrhofer
Das Globe in der Marxhalle war bislang kaum vom Glück verfolgt: zuerst ein Brand, jetzt Spielstopp wegen einer Pandemie

wien.ORF.at: Besuchen Sie eigentlich Simpl und Globe regelmäßig?

Niavarani: Ich war zweimal im Simpl. Einmal allein, um zu schauen, ob noch alles da ist. Einmal haben wir uns getroffen, um noch etwas zu erledigen. Im Globe war ich gar nicht seit fünf Wochen. Ich werde irgendwann im Juni einmal hinschauen.

wien.ORF.at: Schauen, dass keine Geisteraustreibungen stattgefunden haben?

Niavarani: Das ist schade, dass das nicht zeitgleich passiert ist. Es wäre wahnsinnig praktisch gewesen, wenn der Brand des Globe jetzt passiert wäre. Es ist einfach so, dass wir das Globe historisch präzise nachgebaut haben – offensichtlich auch im Schicksal des Globe in London. Denn auch Shakespeares Globe war gesperrt zur Zeit der Pest und ist abgebrannt. Präziser kann man das Globe nicht nachbauen.