Lobau-Protestcamp am 4. November
APA/Roland Schlager
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Klima & Umwelt

Bericht: Aus für Lobautunnel steht bevor

Der umstrittene Lobautunnel, der als Teil der Außenring-Schnellstraße (S1) vorgesehen war, dürfte offenbar nicht gebaut werden. Das berichtete die Tageszeitung „Heute“ am Dienstag. Seitens des Ministeriums wollte man das heute aber „weder dementieren noch bestätigen“.

Zuletzt mehrten sich die Berichte, dass sich die von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) eingeleitete Projektevaluierung gegen einen Bau in dem Naturschutzgebiet ausgesprochen habe. Dem Vernehmen nach soll das Aus des Tunnels morgen in einer Pressekonferenz bekanntgegeben werden, heißt es in „Heute“. Doch auch das wurde weder bestätigt noch dementiert. Der Lobautunnel ist ein zentrales Element der geplanten Wiener Außenring-Schnellstraße. Dabei wäre die Lobau teilweise unterirdisch gequert worden.

Konzipiert ist sie als vierspurige Strecke mit 19 Kilometer Länge, die Schwechat und Süßenbrunn verbinden soll. Umstritten ist vor allem der 8,2 Kilometer lange Tunnel unter der Donau und der Lobau. Der südöstliche Teil der S1 (vom Knoten Vösendorf nach Schwechat) ist bereits seit 2006 in Betrieb.

Verfahren seit Jahren

Die Fortsetzung Richtung Nordosten entwickelte sich hingegen zum Marathon. Die Verfahren dauerten Jahre, immer wieder kam es zu Einsprüchen. Gegnerinnen und Gegner des Projekts versuchten zudem bereits 2006, Probebohrungen mittels Besetzung zu stoppen. Seit drei Monaten campieren Klimaaktivistinnen und -aktivisten an zwei Orten in der Donaustadt, an denen Arbeiten im Zusammenhang mit dem Megabauvorhaben anstehen.

Unterquerung in 60 Meter Tiefe

Die Kosten für die Nordostumfahrung werden von der ASFINAG mit 1,9 Mrd. Euro beziffert. Im Zentrum des Projekts steht dabei jener Tunnel, der den Nationalpark in rund 60 Meter Tiefe unterqueren soll. Umweltschützer befürchten verheerende Auswirkungen auf Flora und Fauna. Die Stadt und die ASFINAG beteuern hingegen, dass man weit unter dem Grundwasserstrom hindurchgräbt und keine Beeinträchtigung zu befürchten ist.

Laut Plan der Stadt- und Bundesregierung soll mit dem Bau die Verkehrssituation vor allem auf der Südosttangente (A23) entspannt werden. Gleichzeitig soll mit der Stadtstraße das Stadtentwicklungsgebiet Seestadt Aspern an das höherrangige Straßennetz angeschlossen werden.

Greenpeace: S1-Ausbau zerstört Ackerland

Greenpeace präsentierte unterdessen am Dienstag eine neue Studie, die den Fokus auf den voraussichtlichen Bodenverbrauch des Straßenbauprojekts legt. Es würden 178 Hektar hochwertige landwirtschaftliche Flächen langfristig versiegelt.

Greenpeace-Aktivist:innen stehen auf einem Gemüsefeld
Greenpeace/Mitja Kobal
Greenpeace fordert ein sofortiges Ende des Straßenbauprojekts

Die Umweltschutzorganisation sieht sogar Auswirkungen auf die Lebensmittelversorgung der Stadt. Die Flächen seien größtenteils hochwertiges Ackerland, wie es vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) bezeichnet wird, so Greenpeace in einer Aussendung. Der fruchtbare, kalkhaltige Lössboden mache diese Gegend laut Greenpeace-Untersuchung zu den „potenziell besten Acker- sowie Gartenbauböden Österreichs“.

Gurken für 1,3 Millionen Menschen

Sie seien „für die regionale Eigenversorgung mit Lebensmitteln essenziell“. In Rechenbeispielen skizziert Greenpeace die Auswirkungen auf die Stadt. Auf 178 Hektar könnte etwa der Jahresbedarf an Erdäpfeln für 122.000 Menschen angebaut werden oder der Jahresbedarf an Salatgurken für 1,3 Millionen Bewohnerinnen und Bewohner.

Landwirtschaftsflächen in der Größe vom vierten Bezirk würden laut Greenpeace langfristig zerstört – während der Bauarbeiten, so schätzt die Organisation, wären aber noch weitere rund 96 Hektar betroffen. Diese würden umgegraben und Teil der Baustelle, anschließend müsste man sie aufwendig wiederherstellen.

Ergebnis der Evaluierung „im Herbst“ angekündigt

Gebaut werden kann momentan ohnedies nicht, der S1-Ausbau liegt seit der Ankündigung von Verkehrsministerin Gewessler, alle Straßenbauprojekte in Österreich zu prüfen, auf Eis. Ein Ergebnis der Prüfung wurde für Herbst angekündigt. Einen genauen Termin gab es am Montag auf Ö1-Nachfrage noch nicht, das Ergebnis soll aber jedenfalls im Herbst bekanntgegeben werden – meteorologisch endet der am 30. November, kalendarisch am 21. Dezember.

Umstrittene Anschlussstraßen

Im Zusammenhang mit der umstrittenen Nordostumfahrung sollen in Wien Anschlussstraßen entstehen, die keinesfalls weniger umstritten sind. Da ist etwa die Spange Aspern: Diese 4,6 Kilometer lange Verbindung zwischen dem Knoten Raasdorf und dem Stadtteil Seestadt gehört noch zur S1. Das Projekt fällt damit wie die Umfahrung selbst in die Zuständigkeit des Bundes.

Von der Seestadt soll daran anschließend quer durch den Bezirk die Stadtstraße errichtet werden. Die 3,2 Kilometer lange Strecke soll die Südosttangente (A23, Anschlussstelle Hirschstetten) mit der S1-Spange verknüpfen.

Ludwig: Keine „Stadtautobahn“

Gegner sprechen von einer Stadtautobahn. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sagte hingegen erst kürzlich im Gemeinderat, dass diese Bezeichnung falsch sei, dass auf der 3,2 Kilometer langen Verbindung Tempo 50 gelten soll. Auch werde die Straße zur Hälfte untertunnelt sein. Der Rest werde tiefer gelegt und mit Lärmschutzwänden ausgestattet, hielt er fest.

Die Stadtstraße wird von Kritikern vor allem deswegen ins Visier genommen, weil befürchtet wird, dass Verkehr direkt von der S1 über die Tangente in Richtung Innenstadt geleitet wird. Im Rathaus wird hingegen argumentiert, dass die alten Ortskerne im 22. Bezirk damit vom Durchzugsverkehr entlastet werden. Wie Entlastung ohnehin eines der Hauptargumente für das Gesamtprojekt darstellt: 77.000 Autos sollen täglich auf der Südosttangente weniger unterwegs sein, wenn die Umfahrung kommt, sagen Stadt und ASFINAG.

Stadt stellt Klage in den Raum

Sollte Gewessler tatsächlich Ernst machen und den Lobautunnel von der Liste streichen, wird sich das die Stadt Wien wohl nicht gefallen lassen. Im Büro von Ludwig wollte man die Spekulationen am Dienstag vorerst nicht kommentieren. Ein Sprecher sagte gegenüber Radio Wien, dass die Stadt jetzt einmal die endgültige Entscheidung abwarten und dann klären werde, welche rechtlichen Schritte eingeleitet werden können.

Ebensolche hatte Ludwig bereits vor wenigen Tagen in Aussicht gestellt. „Wir sind gewappnet. Aber ich gehe davon aus, dass es nicht leicht möglich sein wird, Verfahren mit einem Federstrich ungültig zu machen“, ließ Ludwig dazu kürzlich im Gemeinderat wissen. Man sei jedenfalls nicht vom Ministerium informiert worden, es fehle die Transparenz, nach welchen Kriterien die Evaluierung des Lobautunnels stattgefunden habe, hieß es von der Stadt.

FPÖ kritisiert „Stauhölle“ in der Donaustadt

Die Wiener Oppositionspartei FPÖ kritisierte das etwaige Ende des geplanten Baus. „Die kolportierte Rumpfvariante ohne Lobautunnel und Lückenschluss zwischen Groß Enzersdorf und Schwechat würde die tägliche Stauhölle für 200.000 Menschen im 22. Bezirk auf viele Jahre festschreiben, aber durch die fehlende Entlastung für A22 und A23 auch massive Schäden für die Wiener Wirtschaft nach sich ziehen“, warnte Verkehrssprecher Toni Mahdalik.

Die Umweltschutz-NGOs Greenpeace, WWF und Global 2000 begrüßten hingegen die Pläne. „Eine Absage des Lobautunnels wäre die einzig richtige Entscheidung.“ Die Zeit „solcher fossiler Monsterprojekte“ sei „endgültig abgelaufen“, so Klara Maria Schenk, Klima- und Verkehrsexpertin bei Greenpeace in Österreich.

S34 kommt in kleinerer Variante

Auch für Niederösterreich dürfte eine Entscheidung gefallen sein: Die Traisental-Schnellstraße (S34) ist eines der Straßenbauprojekte, die Gewessler auf ihre Klimaverträglichkeit prüfen lässt. Laut Aussendung des Landes gibt es nun eine Entscheidung. Die S34 kommt, aber nicht so wie geplant – mehr dazu in S34 kommt in kleinerer Variante (noe.ORF.at; 30.11.2021).