Kommission: Kritik an Personalamt

Über Jahrzehnte ist es im früheren Kinderheim im Schloss Wilhelminenberg zu physischer und sexueller Gewalt gekommen, das geht aus dem dritten Zwischenbericht der Kommission hervor. Wegen Problemen bei der Aktenrecherche gibt es Kritik am Personalamt.

Die MA 11 (Jugendwohlfahrt) unterstütze die Kommission bei ihrer Untersuchung „umfassend“, schwieriger gestalte sich dies im Bereich des Personalamts (MA 2), hieß es von der Kommission. Demnach wird vermutet, dass Akten zuvor von Beamten der internen Revision des Magistrats durchgesehen werden und erst dann eine Entscheidung getroffen wird, ob sie ausgefolgt werden. In manchen Fällen habe es auch Widerstand gegen die Übermittlung von Akten gegeben.

„Die Kommission akzeptiert diese Vorgangsweise nicht, schränkt sie doch die Recherchemöglichkeiten soweit ein, dass dem der Kommission erteilten wissenschaftlichen Auftrag nicht entsprochen werden kann“, bekräftigte das Gremium. Die Kommission fordert die Verantwortlichen auf, alle Unterlagen und Akten „vollständig und im Original“ zur Verfügung zu stellen. Die Personalakten wurden angefordert, weil sich wenig Mitarbeiter des Kinderheims bei der Kommission gemeldet hatten - mehr dazu in Heim: Personalakten unter der Lupe.

Juristin Barbara Helige

APA/Roland Schlager

Richterin Barbara Helige leitet die Wilhelminenberg-Kommission

Magistrat: Rechtliche Bedenken

Ein Mitarbeiter der Magistratsdirektion versicherte, dass die Arbeit der Kommission nicht behindert worden ist. Es habe allerdings rechtliche Bedenken bei der Weitergabe von Personalakten gegeben. Aus diesem Grund sei unter anderem die Datenschutzkommission des Bundes kontaktiert worden - wodurch es zu einer Verzögerung gekommen sei.

„Das Personalamt hat zunächst den rechtlichen Standpunkt vertreten, dass eine Weitergabe von Personalakten ausgeschlossen ist“, berichtete der Sprecher. Aber man habe auch dem Wunsch der Kommission nachkommen wollen. Schließlich sei von der Datenschutzkommission mittels Bescheid die Erlaubnis zur Weitergabe gekommen - aber mit restriktiven Auflagen, wie der Magistrats-Sprecher betonte.

So müsse etwa ein klarer Zusammenhang zwischen der betreffenden Person, über die Auskunft begehrt wird, und dem ehemaligen Kinderheim am Wilhelminenberg gegeben sein. Oft seien aber etwa Namen nur phonetisch bekannt. Die Magistratsdirektion schaue darum nach, ob es sich bei den betreffenden Akten um die richtigen Personen handle, hieß es. „Es ist aber nicht ein einziges Blatt an seiner Stelle verrückt worden“, so der Sprecher. Inzwischen seien auch rund 50 Personalakten übermittelt worden.

Opposition: Arbeit darf nicht behindert werden

Die Wiener Opposition hat von den Rathaus-Verantwortlichen gefordert, die Arbeit der Schloss-Wilhelminenberg-Kommission nicht zu behindern. FPÖ und ÖVP verlangten eine „lückenlose Aufklärung“ bzw. ein Ende der „Vorzensur“. Nach dem Martyrium von Misshandlung und Missbrauch durch sozialistische Leiter und Mitarbeiter der städtischen Heime müssten die Opfer nun miterleben, wie verzweifelt versucht werde, die Täter zu decken, kritisierte der Klubchef der Wiener FPÖ, Johann Gudenus.

ÖVP-Obmann Manfred Juraczka erinnerte Stadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ) „erneut und eindringlich“ daran, dass er selbst volle Transparenz bei der Untersuchung der Vorfälle im Kinderheim Wilhelminenberg versprochen habe: „Wenn die Kommission davon berichtet, dass es seitens des Personalamts der Stadt Wien Widerstand gegen die Übermittlung der Akten gegeben hat widerspricht dies diesem Anspruch der vollen Transparenz.“

Täter teilweise namentlich ausgeforscht

Die Wilhelminenberg-Kommission unter dem Vorsitz von Richterin Barbara Helige hat laut Zwischenbericht bisher 144 Interviews geführt. Bis Mitte Oktober hatten sich 125 Personen bei der Kommission gemeldet, der Kontakt zu 54 weiteren Personen wurde gesucht.

Als gesicherte Erkenntnis gilt laut Kommission bereits jetzt: Im Kinderheim Wilhelminenberg kam es über die Jahrzehnte zur Ausübung physischer, psychischer und sexueller Gewalt. Die ehemaligen Heimkinder haben nicht nur die Geschehnisse selbst, sondern auch Täter, Mitwisser und Zeugen beschrieben, die teilweise auch namentlich ausgeforscht werden konnten.

Kinder gegen Gewalt schutzlos

Nach den bisherigen Erhebungen richtete sich die sexuelle Gewalt ab Mitte der 1960er Jahre vor allem gegen Kinder im Alter unter zehn Jahren, wobei „Traumatisierung und persönliche Betroffenheit sich als besonders tief erweisen und meist bis ins Erwachsenenalter reichen“, wie es in dem Bericht heißt. Auch im zweiten Zwischenbericht hatten Betroffene von brutaler physischer und psychischer Gewalt berichtet - mehr dazu in Heimkinder bestätigen „Missbrauch“.

Nach dem bisherigen Erkenntnisstand habe sich auch der Verdacht des vielfachen, organisierten sexuellen Missbrauchs von Heimkindern nicht zerstreut. Zeuginnen hatten einen solchen in Zeitungsinterviews beschrieben. Sogar zu Fällen von Kinderprostitution soll es, so hatten die Betroffenen angegeben, gekommen sein.

Endbericht erst 2013

Eine abschließende Einschätzung sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich, wurde betont. Fix scheint jedoch: „Vielen Verantwortlichen war bekannt bzw. hätte bekannt sein müssen, dass es gewalttätige Übergriffe gab, in den Recherchen wurden bisher keine Gegenmaßnahmen erkennbar“, beklagt die Kommission. Die Kinder seien der Gewalt schutzlos ausgeliefert gewesen. Viele der befassten Erzieher, Ärzte, Psychiater, Pfleger, Polizisten oder Lehrer hätten davon gewusst.

Dass der Endbericht nicht wie geplant mit Jahresende vorliegt, ist ohnehin schon vereinbart: Die Laufzeit wurde bereits zuletzt bis Ende Mai 2013 verlängert. Ein weiterer Zwischenbericht ist laut Kommission nicht vorgesehen.

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