„Haus der Geschichte“ viel teurer?

Das geplante „Haus der Geschichte“ in der Neuen Burg soll laut Experten nicht 11 Mio. Euro, sondern bis zu 60 Mio. Euro kosten. Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) sei „schlecht beraten“ worden, heißt es. Auch am Zeitplan gibt es Zweifel.

Mit seiner Ankündigung, in der Neuen Burg ein „Haus der Geschichte“ einrichten zu wollen, hat Ostermayer vor einem halben Jahr alle Beteiligten überrascht. Die räumliche wie budgetäre „Redimensionierung“ des „Weltmuseum Wien“ eröffne die Chance, quasi zwei Museen zum Preis von einem zu bekommen, lautete die Botschaft - mehr dazu in Weltmuseum: Umbaupläne abgelehnt (wien.ORF.at; 26.11.2014).

Das Projekt dürfte jedoch erheblich teurer werden. Dass man mit jenen 11 Mio. Euro, die bei der Errichtung des „Weltmuseum Wien“ im Corps de Logis eingespart werden, auskommen könnte, glaubt niemand mehr. Die Bandbreite der Schätzungen von Experten ist enorm - sie reicht vom Doppelten bis zum Vielfachen, von 25 bis 60 Mio. Euro.

Tiefspeicher um bis zu 60 Mio. Euro

Dazu kommt noch der von der Österreichischen Nationalbibliothek angestrebte Tiefspeicher, der Eingang in das Regierungsübereinkommen gefunden hatte und nun laut Ostermayer möglicherweise auch „den Bedürfnissen der Universität Wien Rechnung tragen“ könnte. Dessen Errichtung könnte nach Schätzungen mit weiteren 30 bis 60 Millionen zu Buche schlagen.

Im Kunsthistorischen Museum (KHM) wittert man aber auch die Chance, alte Projekte in diesem Zusammenhang neu zu beleben: die Unterkellerung des Maria-Theresien-Platzes sowie einen Besuchertunnel zwischen KHM-Hauptgebäude und dem „Weltmuseum Wien“ unter dem Burgring. Auch auf die Notwendigkeit von Generalsanierungen des Hauptgebäudes und der Neuen Burg weist die KHM-Spitze in diesem Zusammenhang hin.

„Damit wird sich das wohl nicht ausgehen“

Im KHM soll Stefan Fleck, der für den allseits als vorbildlich und kostengünstig angesehenen Depotbau in Himberg mitverantwortlich war, erste Kalkulationen angestellt haben. Die Existenz dieses Papiers will der kaufmännische Geschäftsführer Paul Frey nicht bestätigen. Und eine Daumen mal Pi-Schätzung sei unseriös, ehe man das wissenschaftliche Konzept und das Raumkonzept des „Haus der Geschichte“ und die sich daraus ergebenden Konsequenzen kenne: „Ich weiß zwar genau, wie groß die Zahl Pi ist, wie lange der Daumen ist, wissen wir aber im Moment nicht annähernd.“

Dennoch wagen sich manche aus der Deckung: „Inklusive Tiefspeicher mindestens 90 bis 120 Mio. Euro“, nennt ein hochrangiger Museumsexperte eine geschätzte Gesamtzahl. Mit zumindest 50 Millionen exklusive Tiefspeicher rechnet der ehemalige KHM-Generaldirektor Wilfried Seipel. Auf 20 bis 25 Millionen (ohne Tiefspeicher) kommt ein anderer, konservativ kalkulierender Fachmann, der für die bereitliegenden 11 Mio. Euro nur ein müdes Lächeln übrig hat: „Damit wird sich das wohl nicht ausgehen.“

Barrierefreiheit als Kostenfaktor

Größter Kostenfaktor ist wohl die bauliche Adaptierung der Neuen Burg, samt Herstellung von Barrierefreiheit und Umsetzung eines zeitgemäßen Klimakonzepts. Denn die klimatischen Bedingungen in der Neuen Burg stellen die Verantwortlichen vor große Herausforderungen: „Einmal die Balkontüre aufmachen, und die Luftfeuchtigkeit verändert sich dramatisch“, weiß Renate Goebl, Mitarbeiterin am „Haus der Geschichte“-Konzept von Claudia Haas.

Für die Neuaufstellung einer Sammlung kalkulieren die Fachleute zwischen 1.000 und 4.000 Euro pro Quadratmeter, bei der Kunstkammer sollen die Kosten zwischen 6.000 und 7.000 Euro (alles inklusive) gelegen sein. Allein dies zeigt schon die große Bandbreite der möglichen Kosten - zumal auch die für das „Haus der Geschichte“ mehrfach genannten 3.000 Quadratmeter keine reinen Ausstellungsflächen sein dürften. Diese in der Neuen Burg freizumachen dürfte auch problematisch werden.

Aufwendige Logistik und Organisation

Höchstwahrscheinlich wird die Sammlung Alter Musikinstrumente weichen müssen. Derzeit sind auf 1.700 Quadratmetern rund 750 teilweise hoch fragile Objekte ausgestellt. Eine Neuaufstellung auf rund 1.000 Quadratmetern könnte im Mezzanin der Neuen Burg oder im obersten Geschoß des Kunsthistorischen Museums erfolgen, erklärte Ostermayer im gestrigen Kulturausschuss. Zumindest ersteres stößt auf wenig Gegenliebe im KHM, wo man für die durch Streichung des „Korridor des Staunens“ des Weltmuseums wieder disponiblen Flächen lieber dem Ephesos Museum zuschlagen möchte. Klar ist jedoch: Auch die Absiedelung, Verpackung, vorübergehende Lagerung und Neuaufstellung der alten Instrumente sind ein nicht geringer Kostenfaktor.

Ostermayer wurde „schlecht beraten“

Ostermayer, meint ein hochrangiger Museumsexperte, sei beim „Haus der Geschichte“ „schlecht beraten“ worden, die finanziellen Konsequenzen schätzt er als „enorm“. Wie die meisten Befragten glaubt auch er nicht daran, dass sich das Museum tatsächlich 2018 bereits eröffnen lasse. Bis Sommer soll eine international zusammengesetzte Expertengruppe unter Leitung des Historikers Oliver Rathkolb die inhaltliche Konzeption vorbereiten, erläuterte der Kulturminister gestern den Parlamentariern den weiteren Fahrplan: Auf diesem Grundgerüst aufbauend würde der Kostenrahmen errechnet und die Aufteilung der Räumlichkeiten erfolgen. Dann werde man das Projekt ausschreiben.

Eröffnung 2018 „völlig unrealistisch“

„All das, was Professor Rathkolb jetzt ankündigt, ist nie finanzierbar“, glaubt Renate Goebl. Hinzu komme „das Zerstören der einen Sache mit Folgekosten und ein Kaputtsparen einer anderen Sache“. Die geschätzten Kosten belaufen sich ihrer Meinung nach jedenfalls „fast auf jene eines Neubaus für das Haus der Geschichte“.

Nahezu parallel müssten dann die Stellen für Kuratoren, Museums- und Sammlungsleiter sowie die großen baulichen Maßnahmen ausgeschrieben und vergeben werden. Für den reinen Ausstellungsaufbau wird dann ein Vorlauf von ein bis eineinhalb Jahren benötigt. Eine Eröffnung im Jahr 2018 hält Goebl daher für „völlig unrealistisch“.

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