Westbahnhof: Drehscheibe am Limit

Die Drehscheibe Westbahnhof für Flüchtlinge auf dem Weg nach Deutschland ist wegen des überlasteten Zugsystems ins Stocken geraten. 3.000 Migranten kamen am Donnerstag an, 900 dürften die Nacht in Wien verbringen.

Insgesamt hielten sich am Donnerstag 4.000 Flüchtlinge im Westbahnhof auf, hieß es von der Polizei. Von ihnen haben 41 einen Asylantrag gestellt - fast ausschließlich syrische Staatsbürger", sagte Polizeisprecher Thomas Keiblinger. Der Großteil der Flüchtlinge war am Abend bereits weitergereist. Gegen 20.00 Uhr seien nochmals 400 Personen in einem Zug nach Deutschland gefahren, so der Polizeisprecher.

Wie bereits in den vergangenen Tagen gab es auch am Donnerstag keinen einzigen polizeilich relevanten Vorfall. Am Abend war die Lage auf dem Bahnhof „extrem ruhig“, sagte Keiblinger. Im Laufe des Tages mussten auf dem Wiener Haupt- und Westbahnhof insgesamt 325 Personen medizinisch versorgt werden. „Sechs Menschen wurden ins Spital gebracht“, sagte Andreas Huber, Sprecher der Wiener Berufsrettung.

Westbahnhof: 3.000 Flüchtlinge angekommen

3.000 Flüchtlinge kamen am Donnerstag auf dem Westbahnhof an. Etwa 900 werden die Nacht in Wien verbringen.

ÖBB-Sprecher: „System komplett überlastet“

„Wir tun unser Möglichstes, aber das Möglichste reicht nicht mehr“, sagte ÖBB-Sprecher Michael Braun am Nachmittag. Man sei nun an die Grenzen gestoßen. In die regulären Züge nach Deutschland dürfen derzeit nur begrenzt Migranten einsteigen, je nach verfügbaren Plätzen. Das System sei „komplett überlastet“, so Braun. Die ÖBB stellten den Zugsverkehr nach Ungarn ein - mehr dazu in news.ORF.at.

„Die Menschen sind sehr verzweifelt, der Informationsfluss in den verschiedenen Sprachen hat nicht immer funktioniert. Was ganz schwierig war, waren Familien. Wenn ein Teil im Zug gesessen und der andere Teil am Bahnsteig gestanden ist, ist es zu sehr emotionalen Szenen gekommen. Auch die konnten wir auflösen, die Familien konnten zusammenbleiben“, so Keiblinger.

Flüchtlinge werden in Gruppen unterteilt

Tausende Flüchtlinge waren in der Nacht auf Donnerstag am Grenzübergang Nickelsdorf im Burgenland eingetroffen - mehr dazu in 3.700 Flüchtlinge aus Ungarn angekommen (burgenland.ORF.at). Die Wiener Berufsrettung erwartete daraufhin deren Weiterfahrt nach Wien. Das Sanitätsteam Wien war auf dem West- und Hauptbahnhof im Einsatz. Elf Menschen mussten medizinisch betreut werden.

In Sonderzügen und regulären Zügen trafen immer wieder Hunderte Flüchtlinge auf dem Westbahnhof und auch dem Hauptbahnhof ein. Polizei, ÖBB-Mitarbeiter und Freiwillige nahmen sie in Empfang. Die Menschen wurden mit Wasser und Nahrungsmitteln versorgt. Keiblinger: „Die Bahnsteige sind nicht gesperrt. Es ist so, dass wir aufgrund der Vielzahl der Menschen eine Art Stopp-and-Go-System eingeführt haben. Sofort wenn die Menschen den Zug verlassen, werden sie in kleinere Gruppen unterteilt, das regeln wir. Im Anschluss kommen die freiwilligen Helfer dazu, die Dolmetscher, auch um gebündelt Informationen an die Menschen weitergeben zu können“, so Keiblinger.

Vorerst keine neuen Sonderzüge

Neue Sonderzüge der ÖBB werde es vorerst nicht geben, sagte deren Sprecher Michael Braun. „Seit 14 Tagen ist alles unterwegs, was Räder hat. Der Zustrom bleibt zu hoch. Wir tun, was wir können. Mehr geht nicht“, sagte er und verwies auf den nach Ende der Schulferien wieder aufgenommenen Normalbetrieb auf den Bahnstrecken. „Wir haben keine Züge ungenützt herumstehen. Und die Wartung eines Zugs ist aufwendiger als die eines Autos“, sagte der Sprecher unter Bezugnahme auf den schon früher geäußerten Hinweis, dass die für den Transport von Flüchtlingen eingesetzten Sonderzüge gewartet werden müssten.

Flüchtlingsdrehscheibe Westbahnhof

ORF/Florian Kobler

Hunderte Menschen auf den Bahnsteigen

ÖBB-Informationskampagne gestartet

Innenministerium und ÖBB riefen freiwillige Helfer und Busunternehmen dazu auf, keine weiteren Flüchtlinge zum Westbahnhof zu bringen. Die ÖBB haben zusätzlich eine Informationskampagne gestartet, um auf die außergewöhnliche Situation hinzuweisen, und baten Fahrgäste um Verständnis für etwaige Beeinträchtigungen. Folder werden entlang der Weststrecke und an betroffenen Streckenabschnitten an die Fahrgäste verteilt, auch online sind die Informationen unter „Menschlichkeit fährt Bahn“ abrufbar.

Mehr als 1.000 schliefen in Wien

Insgesamt verbrachten nach Angaben der Caritas mehr als 1.000 Flüchtlinge die Nacht auf Donnerstag in Wien. Es sei gelungen, für alle einen Schlafplatz zu organisieren, sagte Generalsekretär Klaus Schwertner. Erstmals habe auch eine Pfarre ihr Pfarrheim geöffnet. In Neufünfhaus hätten so 100 Menschen einen Schlafplatz bekommen.

Flüchtlinge am Westbahnhof

APA/Hans Punz

Flüchtlinge im Wiener Westbahnhof

Allein im „blauen Haus“ der ÖBB nahe dem Westbahnhof übernachteten rund 500 Menschen. Sie wurden in der Früh zum Westbahnhof begleitet, von wo aus sie mit Zügen der ÖBB und der Westbahn weiter nach Deutschland reisen konnten. Die Stadt geht davon aus, dass der Bedarf an Schlafplätzen in den kommenden Nächten noch steigen wird. Daher wurden kurzfristig 500 neue Notbetten ermöglicht - mehr dazu in 500 neue Notbetten für Flüchtlinge.

Decken für Westbahnhof benötigt

Die Caritas bereite sich nun auf die kommenden Tage vor. Denn „angesichts der Zahlen aus Mazedonien“ müsse man damit rechnen, dass auch in absehbarer Zeit wieder vermehrt Flüchtlinge nach Österreich kommen, so Schwertner. Nach Angaben des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) ist in den nächsten zehn Tagen mit weiteren 42.000 Flüchtlingen auf der Balkan-Route über Griechenland, Serbien und die Türkei zu rechnen.

Vor allem im Westbahnhof würden deshalb noch warme Wolldecken benötigt. Aber auch Geldspenden zur Organisation von festen Schlafplätzen seien willkommen, sagte Schwertner. Die Situation sei zwar schwierig, aber „bewältigbar und schaffbar“. Die ÖBB und die Hilfsorganisation stellen sich jedenfalls darauf ein, dass der Zustrom von Flüchtlingen noch längere Zeit andauert - mehr dazu in Flüchtlinge: Prognosen derzeit schwierig.

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