Spitäler: Experten kritisieren Ärzteumfrage

Ein vernichtendes Urteil haben die Wiener Spitalsärzte in einer Umfrage über ihre neuen Arbeitszeiten gefällt. Experten kritisieren die Umfrage nun jedoch als politisch motiviert und halten deren Aussagekraft für fraglich.

„Diese Art der Befragung halte ich eher für politisch“, sagte etwa Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer in einem „Wien heute“-Interview. „Die Fragen sind sehr offen und unnormiert gestellt, sodass am Ende nur eine Meinung zu einer persönlichen Befindlichkeit herauskommen kann.“ Es handle sich um einen weiteren Schritt im langen „Grabenkampf“ zwischen Ärztekammer und Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV).

OP-Schwester greift nach dem OP-Besteck

APA/DPA/Friso Gentsch

Seit einem Jahr dürfen Spitalsärzte nur noch 48 Stunden pro Woche arbeiten

Wartezeiten „seit Jahren“ Thema

Die Wiener Ärztekammerhatte die Ergebnisse einer Onlinebefragung ihrer Spitalsärzte zu den neuen Arbeitszeitregeln präsentiert. Seit einem Jahr dürfen die Ärzte nur noch 48 statt 60 Stunden pro Woche arbeiten - mehr dazu in Streit über Ärztearbeitszeit beigelegt. Knapp ein Drittel meldete sich zu Wort, 87 Prozent orteten beispielsweise eine Verschlechterung der Patientensituation, 82 Prozent längere Wartezeiten auf Operationen – mehr dazu in Spitalsarbeitszeiten: Urteil vernichtend.

Das Thema Wartezeiten sei „nicht neu“, so Pichlbauer: „Es gibt seit Jahren die Order, dass ein Wartezeitenmanagement eingeführt werden soll. Ich hätte halt gerne Daten gesehen, ob sich durch diese Arbeitszeitenveränderung wirklich etwas geändert hat. Und dann können wir darüber reden.“

Patientenanwältin: Akutversorgung funktioniert

Auch die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz sieht keine deutliche Verschlechterung für die Patienten: „Die Wiener Spitäler sind so gut aufgestellt, dass man nicht Sorge haben muss, dass man akut nicht versorgt würde“, betonte sie.

Sigrid Pilz

ORF

Patientenanwältin Sigrid Pilz findet: „Mit dieser Befragung wird Politik gemacht"

Die Umfrageergebnisse würden die Interessen der Ärztekammer widerspiegeln: „Mit dieser Befragung wird Politik gemacht, das ist ganz klar.“ Trotzdem müsse man analysieren, woher die Unzufriedenheit der Ärzte komme und wo es Handlungsbedarf bei den Arbeitszeiten gebe, meinte die Patientenanwältin.

KAV: Patientenzufriedenheit stabil

Der Chef der Wiener Gemeindespitäler nahm die Umfrageergebnisse gelassen hin: KAV-Direktor Udo Janßen bezeichnete sie als „interessant“, sie würden jedoch nicht immer die Realität reflektieren, und es hätten mit 28 Prozent auch nur wenige Ärzte teilgenommen. „Wir haben über drei Jahre ganz stabile PatientInnenzufriedenheiten in unseren Krankenanstalten verbuchen können“, so Janßen. Gerade bei den jungen Medizinern gebe es einen hohen Zuspruch zu den neuen Arbeitszeiten und der dadurch besseren Work-Life-Balance, so Janßen.

In der Debatte über Engpässe bei der kindermedizinischen Versorgung in Wien sieht der KAV-Chef die Ärztekammer in der Pflicht. So hätten an einem Freitag in einem Bezirk etwa von zehn Kinderärzten nur drei geöffnet gehabt. In den Gemeindespitälern habe man an zwei Wochenenden 1.000 Kinder behandelt und damit Aufgaben des niedergelassenen Bereichs übernommen – nur 120 Kinder seien stationär aufgenommen worden. Die kindermedizinische Versorgung in Wien wird auch von der Volksanwaltschaft geprüft - mehr dazu in Zu wenige Kinderärzte: Volksanwaltschaft prüft.

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