Missbrauch: Seisenbacher angeklagt

Die Wiener Staatsanwaltschaft hat gegen Judo-Olympiasieger Peter Seisenbacher Anklage wegen Kindesmissbrauchs erhoben. Der 56-Jährige soll zwei Mädchen missbraucht haben. Die Anklage ist noch nicht rechtskräftig.

Die Staatsanwaltschaft Wien erhob Anklage wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses. Seisenbacher hat nun zwei Wochen Zeit, um diese zu beeinspruchen. Mit einem Einspruch müsste sich das Wiener Oberlandesgericht auseinandersetzen.

Seisenbachers Anwalt Bernhard Lehofer bestätigte am Mittwoch gegenüber „Wien heute“ den Erhalt der Anklageschrift. Ob man diese beeinspruchen werde, sei noch unklar, Seisenbacher habe sie noch nicht gelesen. „Ein solcher würde nur Sinn machen, wenn formale Fehler evident sind“, meinte der Verteidiger. Zu den Vorwürfen werden jedoch weder er noch sein Mandant vor Prozessbeginn öffentlich Stellung nehmen, so Lehofer.

Peter Seisenbacher 2012 bei den Olympischen Spielen in London

APA/Helmut Fohringer

Gegen Seisenbacher wurde zweieinhalb Jahre lang ermittelt

Jüngstes Opfer neun Jahre alt

Die mutmaßlichen Opfer dürften in Seisenbacher eine „Vaterfigur“ gesehen haben, wie aus der Anklage hervorgeht. Das jüngste Mädchen war demnach erst neun Jahre alt, als die Übergriffe 1997 begonnen haben sollen. Der Ex-Judoka war mit dem Vater der Schülerin befreundet. Von 1999 an - das Mädchen war dann elf - kam es der Staatsanwaltschaft zufolge zu geschlechtlichen Handlungen, die als schwerer sexueller Missbrauch einer Unmündigen qualifiziert sind. Bis zur Vollendung des 14. Lebensjahrs soll die Schülerin wiederholt missbraucht worden sein.

Ein 13-jähriges Mädchen soll Seisenbacher ab dem Sommer 2004 missbraucht haben. Auf einem Judo-Sommerlager auf der Insel Krk soll er im August 2001 versucht haben, einem dritten Mädchen näher zu kommen. Die damals 16-Jährige wehrte ihn ihrer Darstellung zufolge aber ab. Für die Staatsanwaltschaft stellt sich dieser Vorgang als versuchter Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses dar.

Nicht von der Anklage umfasst ist eine angeblich intime Beziehung, die Seisenbacher vom Sommer 2001 bis Ende 2002 zu einer weiteren 16-Jährigen geführt haben soll. Grund: Die Staatsanwaltschaft bezieht sich in ihrer Anklage auf das „ausdrückliche Einverständnis“ der damals zwar nicht Volljährigen, aber nicht mehr Unmündigen

Ermittlungen seit Herbst 2013

Die Staatsanwaltschaft Wien hatte seit Herbst 2013 gegen Seisenbacher ermittelt, nachdem in Judokreisen schon länger Gerüchte über sein Naheverhältnis zu weiblichen, noch unmündigen Schützlingen die Runde machten. Diese waren ihm als Vereinstrainer anvertraut. Die strafrechtlichen Untersuchungen kamen ins Laufen, nachdem Betroffene direkt an die Staatsanwaltschaft herangetreten waren - mehr dazu in Seisenbacher in vier Fällen verdächtig.

Die mittlerweile erwachsenen jungen Frauen belasteten den 56-Jährigen dabei teilweise massiv. Die lange Ermittlungsdauer dürfte sich damit erklären, dass in diesem Fall aufgrund der Prominenz des Verdächtigen die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen von der Staatsanwaltschaft besonders eingehend überprüft wurde - mehr dazu in Ermittlungen gegen Seisenbacher abgeschlossen.

Olympia-Gold 1984 und 1988

Seisenbacher ist bis heute einer der erfolgreichster Sommersportler Österreichs. Als erstem Judoka überhaupt war es ihm gelungen, bei zwei aufeinanderfolgenden Olympischen Spielen Gold zu holen: 1984 in Los Angeles, und 1988 in Seoul. Zudem konnte er einen WM-Erfolg und acht EM-Medaillen verbuchen. Der am 25. März 1960 geborene Wiener ist Vater einer Tochter und eines Sohnes.

Nur vier Wochen nach seinem Rücktritt vom Sport wechselte er ab 1989 ins Amt des Sporthilfe-Generalsekretärs. Im Juni 1991 musste sich Seisenbacher - um sein Amt zu behalten - bei SPÖ-Sportminister Harald Ettl entschuldigen. In seiner Funktion als Verbandskapitän des Österreichischen Judoverbandes (ÖJV) hatte er bei einem Turnier einem Grazer Judoka nach einer Meinungsverschiedenheit eine Ohrfeige verpasst. Ein Linzer Gericht hatte Seisenbacher wegen leichter Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Vom ÖJV fasste er ob der Unbeherrschtheit eine einjährige Sperre aus, später legte er nach Differenzen seine Funktion zurück. Im Oktober 1993 trat er als Sporthilfe-Generalsekretär ab.

In der Folge ließ der Judosport den Wiener aber trotzdem nie los, so war er von 2010 bis 2012 als Nationaltrainer für Georgien verantwortlich. Unter seiner Führung errang Georgien u.a. bei den Spielen 2012 in London eine Goldmedaille. Von 2012 bis 2013 fungierte er dann als Coach in Aserbaidschan.