Experte: „SPÖ-Selbstzerfleischung in Reinkultur“

Die gegenseitig zugefügten schlechten Ergebnisse für die Führungsriege der Wiener SPÖ sind für Politikexperten Thomas Hofer „Selbstzerfleischung in Reinkultur“.

Parteichef Michael Häupl erzielte bei seiner letzten Wahl zum Vorsitzenden am Samstagabend nur 77,4 Prozent. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, der auch als Häupl-Nachfolger gehandelt wird, traf es noch schlimmer: Er bekam nur 67,8 Prozent. Auch die Ergebnisse der anderen Präsidiumsmitglieder waren nicht berauschend - mehr dazu in Häupl mit nur 77 Prozent wiedergewählt.

Der schwelende interne Konflikt ist damit wieder hochgekocht. Für Hofer ist das strategisch alles andere als schlau. „Dieser Parteitag ist wirklich eine Selbstzerfleischung in Reinkultur. Da heißt es wirklich jeder gegen jeden. Das oberste Prinzip, das bei diesen Wahlen gegolten hat, war offensichtlich, nur ja den Lieblingskandidaten des anderen Lagers möglichst schwer zu beschädigen und ihn so zu verunmöglichen“, sagte er im Radio Wien-Interview.

Politikberater Thomas Hofer

ORF

Für Hofer ist das Vorgehen der SPÖ „Selbstzerfleischung in Reinkultur“

Mobilisierung für Nationalsratswahl erschwert

Das sei nicht nur ein schweres Debakel für die Wiener SPÖ, deren Gräben Häupl zuletzt mit der Ankündigung, sich zurückzuziehen, zuschütten wollte, sondern vor allem auch ein Problem für die Bundespartei: „Denn wie man in solch einer Situation die höchstmögliche Mobilisierung bei der nächsten Nationalratswahl zustande bringt, die es brauchen wird, ist mehr als offen.“

Häupl sei an dieser Situation nicht unschuldig, so Hofer. Er habe „die Zügel schleifen lassen“. Das Angebot, seine Nachfolge doch noch zu regeln und nach der kommenden Nationalratswahl zu gehen, sei zu spät gekommen. Da habe selbst die Bekräftigung am Parteitag nichts mehr genutzt - mehr dazu in Wiener SPÖ-Parteitag: Häupl bekräftigt Rückzug.

Häupl

APA/Herbert P.Oczeret

Michael Häupl hat laut Experte Thomas Hofer „die Zügel schleifen lassen“

Streichungen bei Frauenkonferenz als Zündstoff

Das führt Hofer auch auf die Vorkommnisse bei der Frauenkonferenz der Wiener SPÖ am Freitag zurück: Dort seien Mitglieder des so genannten „Rebellenlagers“ massiv von den Wahlvorschlagslisten gestrichen worden - haben also ein schlechtes prozentuales Ergebnis eingefahren. „Dann gab es kein Halten mehr und es haben beide Lager ihr Fett abbekommen und es war wirklich eine Streichorgie, wo keiner unbeschädigt mehr rausgeht“, so der Experte.

Damit sei eine der wichtigsten Qualitäten der Wiener SPÖ, nämlich Geschlossenheit und Disziplin selbst im Streitfall, „komplett verloren gegangen“, so Hofer: „Das ist eine gegenseitige Demontage, über die sich alle anderen Parteien, vor allem aber die FPÖ freuen kann.“ Eine Mobilsierung für die Bundespartei, Kanzler Christian Kern und die Nationalratswahl, aber auch die Themensetzung und die Regierungsarbeit in Wien seien nun schwieriger geworden. „Das alles kann nicht gelingen, wenn die eigenen Reihen nicht geschlossen sind.“

Mit einer Fortsetzung des Konflikts beim Maiaufmarsch der SPÖ rechnet Hofer zwar nicht - „das war mehr eine Abstimung mit der geballten Faust in der Tasche“. Sollte es aber zu Szenen wie im vergangenen Jahr kommen, als der damalige Kanzler Werner Fayman ausgepfiffen wurde, wäre das ein weiteres „ganz katastrophales Signal“.

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