Aslan-Studie über Radikalisierung veröffentlicht

Eine neue Studie des Islamwissenschaftlers Ednan Aslan zur Radikalisierung Jugendlicher ist vor Kurzem veröffentlicht worden. Die Befragten wussten über den Islam besser Bescheid als eigentlich angenommen.

Die Annahme, dass Betroffene mehrheitlich über eine geringe Kenntnis der Religion verfügen, habe sich nicht bestätigt, heißt es in der Studie. Der Großteil der Befragten stammte zudem aus einem gläubigen Elternhaus und hatte schon vor der Radikalisierung Kenntnisse über den Islam.

In Auftrag gegeben wurde die Studie vom Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF). Aufgrund einer parlamentarischen Anfrage von NEOS veröffentlichte das Integrations- und Außenministerium nun den Link dazu. Aslan war zuletzt wegen einer polarisierenden Studie zu „Islam-Kindergärten“ in die Schlagzeilen geraten, die von Beamten des Außenministeriums nachträglich bearbeitet worden sein soll - mehr dazu in Kindergartenstudie: Ministerium in der Kritik.

29 Jugendliche für Studie interviewt

Ziel der nun vorliegenden empirischen Studie ist die „Untersuchung der Rolle der Religion in islamistischen Radikalisierungsprozessen“. Mittels Biografieforschung wurden im Frühling 2016 die Lebenswelten von Jugendlichen in Gefängnissen und Jugendeinrichtungen untersucht, die sich in unterschiedlichen Phasen der Radikalisierung befinden. Insgesamt wurden 29 narrativ-biografische Interviews durchgeführt, 15 der Gefangenen befanden sich aufgrund terroristischer Straftaten in Haft.

Deckblatt zu Aslan-Studie "Islamistische Radikalisierung"

ORF

Aslan befragte Jugendliche in Gefängnissen und Jugendeinrichtungen

Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Interviewten in ihrem Radikalisierungsprozess aktiv mit Inhalten, Normen und Wertvorstellungen der islamischen Lehre auseinandersetzten, heißt es in der Studie. Ein Verständnis von islamischer Theologie, das als „Salafismus“ bezeichnet wird, werde als „ganzheitliches, religiöses und gesellschaftspolitisches Konzept verstanden, das alle Bereiche des Lebens, von persönlichen Beziehungen über die staatliche Regierungsform, regelt“.

Den salafistischen Ansichten liegen laut Studie „allgemein anerkannte klassische Werke der islamischen Lehre zugrunde“. Die Betroffenen würden sich meist nicht isoliert radikalisieren, sondern in einem bereits extremistisch geprägten Umfeld. „Innerhalb des radikalen Milieus spielen bestimmte Moscheen, die eine Lehre verbreiten, die unausweichlich zum Salafismus führt, sowie religiöse Autoritäten eine zentrale Rolle.“

„Sehen sich als die einzig wahren Muslime“

Obwohl sich das radikale Milieu auch auf das Internet erstreckt, stellen sich laut Studie Face-to-Face-Beziehungen als wichtigerer Faktor heraus. Die Missionierungsarbeit sei zentraler Bestandteil des Umfelds, der niederschwellige Zugang in Verbindung mit der Anforderung der Missionierung mache die Mitglieder sowohl zu Trägern als auch Vermittlern dieser Theologie. Personen, die über ein höheres theologisches Wissen verfügen, fungieren laut Studie als „Autoritäten“ mit zentraler Rolle.

Ein weiterer Faktor der Radikalisierung ist das Gefühl der Entfremdung. „Die radikalen Gruppen und Individuen sehen sich als die einzig wahren Muslime“, heißt es in der Studie. Die Zugehörigkeit im Milieu ergebe sich stark über die Abgrenzung zur Mehrheitsgesellschaft und anderen Muslimen sowie deren Abwertung. „Die soziale Umwelt wird als verkommen wahrgenommen. Hinzu kommen die Ablehnung der Demokratie und die Hervorhebung der Scharia als Gesellschaftsgrundlage.“

Dieses Selbstbild der einzig wahren und rechtschaffenen Gläubigen führe schließlich zur Entfremdung von der restlichen Gesellschaft. Das damit einhergehende Gefühl des Fremdseins werde ideologisch instrumentalisiert. „Die Konstruktion des Westens als Feind der muslimischen Welt spielt eine zentrale Rolle für das Selbstverständnis der radikalisierten Personen“, heißt es weiter.

Studie in Widerspruch zu anderer Studie

Eine der Kernaussagen in der Studien-Zusammenfassung lautet: „Der Großteil der Befragten stammte aus einem gläubigen muslimischen Elternhaus und hatte bereits vor dem Kontakt mit der islamischen Theologie Kenntnisse über die Grundlagen des Islams“.

Das widerspricht teils Aussagen einer anderen Studie, die vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie erstellt worden ist, berichtet Ö1. Ko-Autor Thomas Schmidinger sagt, der Fokus seiner Studie war zwar nicht Radikalisierung sondern Radikalisierung in der Haft, aber „bei den Meisten hatte ich eher den Eindruck, dass es sich um eine oberflächlich gelebte Form der Religiosität oder sogar um relativ wenig Bezug zur Religion handelt, einen gewissermaßen kulturell gelebten Islam, besonders bei der Gruppe, die aus Tschetschenien stammt" - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Teils wurden in den beiden Studien dieselben Häftlinge befragt. „Die Mehrheit ganz besonders von den radikalisierten Jugendlichen hat definitiv ein sehr geringes Wissen“, sagt Schmidinger. Dazu komme, dass in Österreich zahlreiche aus Tschetschenien stammende Asylberechtigte zu Jihadisten wurden, die „sich am syrischen Krieg beteiligten wollten, um den Feind von zu Hause aus direkt bekämpfen zu können“. Das Motiv sei also nicht religiöse Radikalisierung gewesen. Den Auftrag für die Schmidinger-Studie hat das Justizministerium gegeben.

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