Wiens Luftschloss am Cobenzl: Eine Bilanz

Seit Juni wird das Cafe & Schloss Cobenzl von der Arbeitsgruppe „Luftschloss“ betrieben, der Vertrag läuft noch bis Jänner. Die Zwischennutzer hoffen auf Austausch und Weitergabe des „gesammelten Wissens“ an die neuen Pächter.

Köpfe aus Marmor von Herren mit Schnurrbärten zieren den Schlossgarten am Cobenzl, Relikte aus längst vergangen Zeiten. Georg Demmer steht auf der großen Terrasse am Schloss, von hier aus blickt man über ganz Wien. „Am spannendsten sind gerade die nicht-kommerziellen Projekte“, erzählt er. Demmer ist Hauptpächter der Arbeitsgruppe Luftschloss, die seit Juni das Cafe und Schloss Cobenzl als Zwischennutzung bespielt: „Wenn man Künstlerinnen und Künstlern einen Raum bieten und sie einfach machen lassen kann.“

Sehr zufrieden „mit den jungen Leuten“

An Raum mangelt es hier oben jedenfalls nicht. Wenn etwas fehlt, dann ist es eher die Zeit. Der Vertrag mit der Stadt Wien läuft nach derzeitigem Stand noch bis Jänner 2018. Bis dahin wird es weiterhin Kulturprogramm im Cafe, Partys im Schloss und andere Veranstaltungen geben. Wer durch das Schloss spaziert, trifft Leute, die an Werkbänken und auf Macbooks arbeiten oder in der Sonne sitzen. Sie passen, genau wie Demmer, optisch nicht so recht ins pompöse Schlossambiente - zu jung, zu unkonventionell - aber dieser Bruch macht es interessant. Im Cafe herrscht reger Betrieb. Von Seiten der Stadt Wien zeigt man sich sehr angetan von der Zwischennutzung.

„Wir sind sehr zufrieden mit dem Programm der jungen Leute. Das neue Konzept hat auch andere Gäste angelockt“, meint Anita Voraberger, Sprecherin der zuständigen Stadträtin Ulli Sima (SPÖ). Als Highlight nennt sie die Sonntagspicknicks, die den ganzen Sommer hindurch, begleitet von Live-Musik, statt fanden. „Das Publikum war ganz bunt gemischt, das war auch die Absicht“, so Demmer. Dieses Wochenende steht ein Minifestival auf dem Programm: Das Schloss verwandelt sich am Samstag Nachmittag für einige Stunden in ein Techno Castle.

Jausenstation statt Traditionscafé

Im Cafe gibt es nun Spritzer mit Holundersirup und Grüntee statt Wiener Schnitzel - das sei jedoch nicht bei allen Gästen nur auf Begeisterung gestoßen. „Es gab auch Leute, die herein gekommen sind und sofort etwas zu bemängeln hatten.“ Demmer sieht es gelassen - da könne man nichts anderes tun als freundlich zu bleiben und gute Qualität zu liefern.

Das Sortiment im Cafe wurde verkleinert, man sei jetzt eher eine „Art Jausenstation“. Es gibt vor allem Bio-Kuchen, Würste und Sandwiches, aber auch „ein gutes Gulasch und Knödel“, erzählt Demmer. Die Zutaten werden regional eingekauft: Das Brot kommt vom Bäcker in der Gegend, der Wein vom Cobenzl- möglichst bio soll es sein.

Zwischennutzung mit „Eventcharakter“

Im Herbst will die Stadt das Ergebnis der Interessentensuche für eine dauerhafte Nutzung vorgelegen. „Derzeit befinden wir uns in der finalen Phase der Suche,“ so Voraberger. Die Bewerbungsfrist sei bereits abgelaufen, mehr könne man zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht sagen.

Die Frage, ob es nicht frustrierend sei, so viel Zeit, Energie und Geld in ein Projekt zu stecken, dass man nicht halten kann, verneint Demmer. Das sei nicht sein erstes Zwischennutzungskonzept, „wir kennen die Arbeitsweise und das hat eben diesen Eventcharakter.“ Man kommt irgendwo hin, arbeitet mit den Gegebenheiten und geht wieder.

Cobenzl

E.Mangl

Noch bis Jänner läuft der Vertrag für die Zwischennutzung am Cobenzl

„Zwischennutzungen sind kein Lückenfüller“

„Natürlich“, räumt er ein, „könnten wir durch die viele Zeit, die wir hier verbracht habe, nun viel nachhaltiger und genauer planen, kein anderer Entwickler verbringt so viel Zeit an einem Ort.“ Das Team investiere viel Zeit, Liebe, und auch Geld, auch das rechne sich erst nach einer gewissen Zeit.

Gerade deswegen sei es umso wichtiger, dass man Zwischennutzungen nicht nur als „Lückenfüller“ begreift, sondern dass man die planerische Komponente und die Informationen, die in solchen Projekten gesammelt werden, wertschätzt und langfristig in die Planung integriert. „So kann man Stadtentwicklung, Kunst und Kultur, aber auch Jungunternehmer in vielerlei Hinsicht fördern,“ ist Demmer sich sicher.

Potential ist „noch lange nicht ausgeschöpft“

In den letzten Jahren hat sich in Wien viel im Bereich der Zwischennutzungen getan. „Es hat einige Leuchtturmprojekte gegeben“, findet Demmer. Als Beispiel nennt er die Pferdestallungen in der Creau. Hier fanden Frühlings- und Weihnachtsmärkte statt, wo Handwerk, Design und Mode verkauft wurde. Raphael Frei hat in der Creau die ersten Erfahrungen mit Zwischennutzungen gesammelt, jetzt ist zuständig für die Gastronomie im Cafe Cobenzl. „In Zeiten, in denen Leute Raum brauchen und suchen, ist es nur logisch, dass solche Konzepte wichtiger werden“, meint er.

Ausgeschöpft sei das Potential zwar noch lange nicht, es gebe noch immer sehr viel Leerstand, „aber es geht in eine gute Richtung.“ Zahlen über den absoluten Leerstand gibt es allerdings keine zuverlässigen, da viele Privateigentümer leerstehende Lokale gar nicht melden, von Spekulationsobjekten ganz zu schweigen. 2016 rief die Stadt Wien die Initiative „Kreative Räume“ ins Leben. Die verstehen sich als Netzwerk, das gerade Kreative zu Raum verhelfen soll.

Vom Griensteidl zum Rien

Auch die Wirtschaftsagentur bemüht sich leerstehende Geschäftslokale zu vermitteln und finanziell zu fördern, allerdings liegt der Fokus hier auf kommerziellen Projekten. Gerade wurde mit dem Rien, das in den früheren Räumlichkeiten des Cafe Griensteidl ist, auch ein Zwischennutzungsprojekt unterstützt.

Neben dem gastronomischen Angebot gibt es hier Ausstellungsflächen, kulturelles Programm und einen Concept Store, wo Möbel, Design und Mode verkauft wird. „Wir sehen es durchaus auch als unsere Aufgabe, solche Projekte zu unterstützen“ erklärt Uschi Kainz von der Wirtschaftsagentur. Auch hier läuft der Vertrag lediglich bis im Jänner. Am Cobenzl sieht man dem Jahreswechsel gelassen entgegen: „Wir suchen auf jeden Fall ein Nachfolgeprojekt“, sagt Frei.

Sarah Nägele, wien.ORF.at

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