Tanzschulbesuch als Dating-App-Ersatz

Von der strengen Benimmschule zum Freizeittreff: Das Image der Tanzschulen hat sich stark verändert. Ein Motiv für den Besuch ist laut Tanzschulchef Thomas Schäfer-Elmayer heute, dass hier „unglaublich viele stabile Ehen“ entstehen.

Neben einem neuen Image haben die Tanzschulen in den vergangenen Jahren auch eine neue Zielgruppe bekommen: Heute sind vor allem erwachsene Paare an Tanzkursen interessiert. In der Tanzschule Rueff sei mittlerweile die Hälfte der Tanzschulbesucher im Erwachsenenalter, sagt die Besitzerin Yvonne Rueff.

Tanzkurs Rueff

Tanzschule Rueff

Die Zielgruppe der Tanzschulen wird zunehmend älter

Verantwortlich dafür sind laut Rueff unter anderem Tanzsendungen: „Dancing Stars hat einen positiven Effekt, weil die Leute sehen - ich könnte auch mal wieder tanzen gehen.“ Auch berufliche Gründe würden viele dazu bringen, einen Tanzkurs zu belegen - etwa Weihnachtsfeiern oder ein Ballbesuch mit der Firma.

Soziale Medien statt Tanzschulbesuch

Jugendliche hingegen hätten häufig zu wenig Zeit, andere Freizeitangebote seien für viele interessanter. Das erkennt auch Tanzschulbesitzer Thomas-Schäfer Elmayer: „Es kommen jetzt auch viele Dinge dazu, die ihnen weit weniger Zeit lassen, wie Instagram und alle diese Sachen. Das sind ja unglaublich zeitaufwändige Aktivitäten.“ Dennoch legt seine Tanzschule ihren Fokus weiterhin auf Jugendliche. Weil auf die Familientradition weniger Verlass sei, sei dabei besonders Mundpropaganda in der Schule wichtig.

Jene Jugendliche, die sich für einen Kurs entscheiden, würden die Tanzschule vor allem als Freizeittreff nutzen, ist Schäfer-Elmayer überzeugt: „Da entstehen die längst dauernden Freundschaften und noch viel erstaunlicher - unglaublich viele wirklich stabile Ehen.“ Statt Dating-Apps zu nutzen, würden viele Jugendliche heute die Tanzschulen besuchen, um neue Leute mit ähnlichen Interessen kennenzulernen.

„Viel gefragter“ durch Tanzschule

Auch Rueff erkennt darin eines der wesentlichen Motive für einen Tanzschulbesuch - vor allem für männliche Jugendliche. „Es gibt mittlerweile Kurse, da gibt es mehr Burschen als Mädchen“, sagt sie. „Viele sagen dann: Seit ich in der Tanzschule bin, bin ich viel gefragter.“ Vor allem auf Bällen könnten sie mit ihren Tanzkenntnissen herausstechen.

Trotz Freizeitfokus sind die Jugendlichen laut den Tanzschulen heute wieder zunehmend an den traditionellen Benimmkursen interessiert, die oftmals Teil des Angebotes sind. Die Tanzschule Elmayer bietet etwa ein „Zertifikat für Ladies und Gentlemen“ an. Auch in der Rueff Tanzschule werden die Benimmeinheiten zunehmend attraktiver. „Ich glaube, es ist heute so weit weg von der Zeit, als es ein Zwang war, dass sie es schon wieder cool finden. Das hat ein bisschen diesen Retro-Faktor“, sagt Rueff.

Thomas Schäfer Elmayer mit Schülern in seiner Tanzschule

APA/Hans Klaus Techt

Die Benimmkurse werden laut Schäfer-Elmayer zunehmend attraktiver

Jeans statt weißer Handschuhe

Für Rueff sollen aber auch die Benimmkurse nicht mehr streng traditionell geführt werden. Allgemein brauchen Tanzschulen ihrer Ansicht nach ein lockereres Image, um auch künftig Jugendliche für die Kurse begeistern zu können. Dies gelte auch für die Frage nach der passenden Kleidung: „Ich glaube, dass man diese Regeln wirklich brechen muss und sagen muss: Freizeit ist dann auch kleidungstechnisch Freizeit“, sagt Rueff. Statt wie früher in weißen Handschuhen und Anzug dürfen die Jugendlichen hier deshalb in Jeans und T-Shirt tanzen.

Tanzschule als Lifestyleprodukt

Ebenso wie Rueff beobachtet auch Karin Lemberger, Präsidentin vom Verband der Tanzlehrer Wiens und Besitzerin der Tanzschule Dorner, eine neue Bedeutung der Tanzschulen. „Früher war das für die Jugendlichen ein Zwang, eine richtige Schule. Inzwischen verbringen die Leute bei uns ihre Freizeit, das hat mehr mit Lifestyle zu tun.“

Melanie Gerges, wien.ORF.at

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