Kirche offen für digitalen Klingelbeutel

Anfang Juli wurde in Deutschland das Konzept des digitalen Klingelbeutels patentiert. Bargeldloses Spenden ist in Wiens Kirchen derzeit nicht möglich, es sei jedoch nur eine Frage der Zeit, heißt es seitens der evangelischen Kirche.

Fünf bis zehn Euro werden pro Person im Gottesdienst gespendet, sagt Pfarrer Michael Wolf. „Natürlich variiert das auch von Gemeinde zu Gemeinde.“ Ein digitaler Klingelbeutel, bei dem Spenden auch bargeldlos mit Bankomatkarte gemacht werden können, wird seiner Ansicht nach an dem Spendenvolumen nichts ändern. „Der durchschnittliche Spender überlegt sich genau, wie viel er gibt, das ist vorher schon abgezählt.“

Der Neuerung eines digitalen Klingelbeutels, wie er in Deutschland patentiert wurde, steht er offen gegenüber. „Es ändert sich ja eigentlich nur, wie gespendet wird“, sagt er. Zwar gäbe es noch keine konkreten Pläne einer Übernahme des Konzeptes, Wolf glaubt jedoch, dass es auch in Wien Anklang finden wird.

Digitaler Klingelbeutel

Thorsten Wittke/EKBO

Ein digitaler Klingelbeutel ist auch für die evangelische Kirche in Wien denkbar

Keine flächendeckende Änderung

„Natürlich ist das auch abhängig davon, wie technisch begeistert der Pfarrer der Gemeinde ist“, sagt Wolf. „Die evangelische Gemeinde ist dem prinzipiell aufgeschlossen, es wird aber bestimmt nicht flächendeckend; sondern eher punktuell in einigen Gemeinden sein.“

Diese Offenheit gegenüber technischen Neuerungen zeige sich auch in den Sozialen Netzwerken. Hier haben einige der evangelischen Gemeinden mittlerweile eigene Profile, auf denen die Neuigkeiten der Gemeinde geteilt werden. Vikarin Julia Schnizlein-Riedler führt eines dieser Profile.

„Es ist ja auch bei uns so wie sonst überall: Die Leute lesen nicht mehr viel Print, was in die Gemeindezeitung geschrieben wird, erreicht eher die älteren oder nur mehr einen geringen Teil der Leute“, sagt sie. Um als Gemeinde wieder sichtbarer zu werden, postet sie deshalb regelmäßig Informationen auf dem Facebook-Profil der Kirche.

Predigten online verfügbar

Auch ihre Predigten stellt sie online. „Im Gottesdienst habe ich oft 60 Leute, über Facebook erreiche ich 600, die dann auch auf meine Predigt klicken“, sagt sie. Auch über den Alltag als Pfarrerin postet sie Bilder in Sozialen Netzwerken.

Evangelische Vikarin Instagram

Schnizlein-Riedler

Für Schnizlein-Riedler sind Soziale Netzwerke ein wichtiges Kommunikationsmittel

„Das Evangelium hat sich über Mundpropaganda verbreitet, das war immer mit Medien verbunden“, sagt sie. „Jetzt versuchen wir es eben so. Aber die Gemeinde und Gemeinschaft in der Kirche muss auch spürbar werden, und man muss sehen: Wir sind viele und nicht mit unserem Computer alleine.“ Auch innerhalb der Gottesdienste gibt es immer wieder Projekte mit Sozialen Netzwerken, wie etwa die Integration des Textnachrichtendienstes WhatsApp in Podiumsdiskussionen in der Pfarre Simmering.

Schnizlein-Riedler befürwortet aber auch eine analoge Kirche. „Die Kirche sollte ein Ort sein, an dem Entschleunigung herrscht, an dem es eben nicht um Effizienz geht, an dem, soweit das möglich ist, die Musik noch live gespielt wird und nicht aus der Konserve kommt, und die Menschen echte Bücher in der Hand halten und nicht nur Powerpoint-Präsentationen eingeblendet werden“, sagt sie.

Ähnliche Projekte in der katholischen Kirche

Die Kommunikation nach außen solle jedoch auch die Möglichkeiten der vergangenen Jahre nutzen, um so sichtbarer zu werden und auch jene Menschen ansprechen zu können, „die zwar christlich sind, aber nicht in den Gottesdienst gehen“.

Auch die katholische Kirche nutzt mehr und mehr digitale Medien zur Kommunikation nach außen, einzelne Pfarren teilen auf ihren Profilen in den Sozialen Netzwerken Aktuelles aus der Gemeinde. Vergangene Woche widmete sich die 20. Ökumenische Sommerakademie in Oberösterreich dem Thema „Gott und die digitale Revolution“. Die Reden und Beiträge dieser Akademie sind auch online verfügbar.

Das Konzept des digitalen Klingelbeutels wird zwar nicht abgelehnt, konkrete Pläne gebe es aber derzeit noch nicht, heißt es seitens der Pressestelle. Ein ähnliches Projekt, ein digitaler Opferstock, wurde 2005 bereits im Mariendom in Linz getestet. Der Opferstock, der einem Bankomatterminal ähnelte, wurde jedoch 2010 wieder eingestellt. Grund dafür: Die Besucher nutzten ihn kaum.

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