Programmieren lernen mit Stickmaschinen

Das Projekt Turtle Stitch ermöglicht einen ersten Einblick in das Programmieren. Allerdings nicht mit 3-D-Druckern oder Robotern, sondern einer Stickmaschine. Angewendet wird das Wiener Projekt bereits in Afrika, Asien und den USA.

„Wir wollen das textile Werken in der Schule mit der IT verbinden“, sagt Turtle-Stitch-Gründerin Andrea Mayr-Stadler. Mit ihrem Projekt können Interessierte Programmieren mithilfe einer Stickmaschine erlernen. Benötigt wird dafür nur ein Internetzugang und die Software, die auf der Programmiersprache Snap! basiert. Eine Registrierung ist nicht erforderlich.

Durch Befehle wie „bewege dich zehn Schritte weiter“ oder „drehe dich um 90 Grad“ teilt der Benutzer dem System mit, wo der nächste Stich gesetzt werden soll und steuert so den Verlauf des Musters. Dabei entstehen individuelle Designs vom Mandala zum Stern oder den eigenen Initialen.

Turtle Stitch Programmieren durch Sticken lernen

Verein Oseda

Zur Erstellung der Stickmuster wird die kostenlose Software benötigt

Logischer Zugang zu Stickerei

Die so entstandene Datei wird anschließend in eine Stickmaschine eingespielt und das Stickmuster entsteht. „Wir haben einen anderen Zugang zur Stickerei“, sagt Mayr-Stadler. „Bei uns geht es vorrangig nicht um die grafische Gestaltung sondern um die Logik: Wie soll der Faden verlaufen?“

Entwickelt hat Mayr-Stadler die kostenlose Methode bereits 2016. Mit ihr möchte sie vor allem Kinder und Jugendliche ansprechen. In Workshops dürfen diese die Software ausprobieren und ihre eigenen Stickmuster entwickeln. Der Zugang ist dabei möglichst einfach gehalten: Alle Gestaltungsmöglichkeiten werden auf Karten erklärt, die Befehle werden per Drag and Drop in die Datei hineingezogen.

Ein Endprodukt zu schaffen ist Mayr-Stadler besonders wichtig: „Die meisten Kinder und Jugendliche verwenden viele Apps, die sehr benutzerfreundlich angelegt sind. Es ist wichtig, sie nicht nur zu Konsumenten zu erziehen, sondern sie auch selbstständig gestalten und programmieren zu lassen.“

Interesse bei Buben und Mädchen

Dass auch Buben sich für das Projekt interessieren, überraschte Mayr-Stadler zu Beginn. „Eigentlich war das Projekt für Mädchen angedacht, aber ich bekomme immer positives Feedback von den Buben. Sie sind in den Workshops immer sehr interessiert und vergleichen es mit der Arbeit an einem Roboter.“

Turtle Stitch regelmäßig in den Unterricht einzubauen, ist jedoch nicht einfach, sagt sie. Die meisten Schulen haben keine Stickmaschine zur Verfügung, auch günstige Modelle kosten bereits über 700 Euro. „Viele Lehrer haben es aber trotzdem geschafft, das Geld für eine Maschine zu organisieren, zum Beispiel über den Elternverein.“ Eine Maschine pro Klasse reiche für das Projekt aus, sagt Mayr-Stadler.

Auch außerhalb der Wiener Schulen wird das Programm verwendet. „Viele Schulen in den USA verwenden es, auch in China und Afrika haben wir von Workshops gehört“, so Mayr-Stadler. In Irland, Großbritannien und Deutschland gäbe es ebenfalls Interessierte.

Turtle Stitch Programmieren durch Sticken lernen

Verein Oseda

Auch in Afrika, Asien und den USA wird das Projekt verwendet

15.000 Euro über Crowdfunding gesammelt

Um das Projekt auch weiterhin kostenlos betreiben zu können startete Mayr-Stadler Ende Juni eine Crowdfunding-Kampagne. Das Ziel von 15.000 Euro konnte erreicht werden. Damit sollen kleine Fehler der Software behoben werden. Die Plattform, auf der programmierte Stickmuster gespeichert und geteilt werden, soll ebenfalls verbessert werden. „Es soll nachvollziehbar sein, wer das Muster erstellt hat und wer daran weiterarbeitet“, so Mayr-Stadler.

Langfristig möchte sie ihr Projekt jedoch nicht über Crowdfunding finanzieren. „Mir ist es wichtig, dass Turtle Stitch ein offenes Bildungsprogramm bleibt, aber es braucht eine Zusatzfinanzierung“, sagt Mayr-Stadler. Produkte, die bereits im Rahmen der Crowdfunding Kampagne als Belohnung vergeben wurden, sollen künftig in einem Onlineshop verkauft werden, darunter etwa Kleidungsstücke, Taschen oder individuelle Stickmuster und Designs.

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