Pflege: Wien zieht Vermögensforderungen zurück

Wien setzt das Pflegeregressverbot nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) jetzt um. Offene Forderungen sind ab sofort gegenstandslos, sämtliche Exekutionsverfahren werden gestoppt.

Das verkündeten Bürgermeister Michael Ludwig und Sozialstadtrat Peter Hacker (beide SPÖ) am Dienstag. Harsche Kritik setzte es am Bund, etwa am Aufteilungsschlüssel zur Finanzierung. Insgesamt werden in Wien rund 60.000 Menschen pflegerisch betreut, berichtete Ludwig.

Vorgehen bei älteren Verfahren strittig

Wien habe den Angehörigenregress schon in den 1970er Jahren abgeschafft. Künftig müssten aber auch Personen, die sich in Pflege befinden, keine Angst mehr haben, dass ihr Vermögen herangezogen werde, so Ludwig.

Peter Hacker Michael Ludwig

ORF

Ludwig und Hacker fordern mehr Geld vom Bund

Dass der Pflegeregress abgeschafft wird, beschloss der Bund schon vor längerer Zeit. Nach dem VfGH-Urteil ist nun auch fix, dass das Verbot rückwirkend seit Jahresbeginn gilt. Welche Folgen das zeitigt, war aber noch unklar. Wien hatte erklärt, die weiteren Schritte noch zu prüfen. Fraglich war vor allem das Vorgehen bei älteren Verfahren. Nun steht fest, dass Wien auch solche, die die Zeit vor dem 1. Jänner betreffen, auslaufen lässt.

Gerichtsverfahren „auf dem Rücken der Betroffenen“

Sämtliche Exekutionen, auch solche, die aus rechtskräftigen Titeln stammen, werden eingestellt, sagte Hacker. Im Grundbuch eingetragene Pfandrechte werden gelöscht. Laut dem Ressortchef waren das zuletzt etwa noch mehrere 100 derartige Rechte, er schätzte, dass die Stadt noch in 300 bis 400 Grundbüchern steht. Kritik übte Hacker daran, dass der Bund es bisher verabsäumt hat, eine entsprechende Durchführungsgesetzgebung samt Übergangsbestimmungen zu beschließen.

Damit seien Gerichtsverfahren „auf dem Rücken der Betroffenen“ zu Klärung der Sachlage nötig gewesen. „In Wien sind 20 bis 30 solcher Verfahren geführt worden“, so Hacker. Zudem hätten jene, die nicht gezahlt haben und vor Gericht gegangen sind, jetzt einen Vorteil. Betroffene, die etwa ihre Erbschaft als Beitrag eingesetzt hätten, „bekommen keinen Cent“.

„Regierung arbeitet offensichtlich gegen die Stadt“

Kein Verständnis hat der Sozialstadtrat auch dafür, dass Wien als finanziellen Ausgleich nur rund 16,6 Prozent der bereitgestellten Mittel vom Bund bekommen soll. Damit erhalte man weniger Geld als Niederösterreich, die Steiermark und Oberösterreich, obwohl das weder der Bevölkerungszahl entspreche noch den gemeldeten Mitteln. Für Wien seien nur rund 56 Mio. vorgesehen, obwohl etwa heuer 75 Mio. Euro an Kosten anfallen würden.

„Das ist ein Offenbarungseid: Die Regierung arbeitet offensichtlich gegen die Stadt“, wetterte Hacker. Das Vorgehen sei eindeutig parteipolitisch motiviert. Zum Untermauern des Vorwurfs wurde eine Grafik präsentiert, laut der vor allem Länder mit SPÖ-Landeshauptleuten schlecht aussteigen.

Hacker will „scharf“ abrechnen

Laut dem Stadtrat entspricht das nicht der Finanzplanregelung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Der Konsultationsmechanismus sei bereits ausgelöst worden. Hacker macht sich allerdings laut eigenen Angaben keine Sorgen, dass nicht alle Forderungen abgegolten werden. Notfalls will Wien auch bis zum VfGH gehen.

„Der Bund wird mehr zahlen müssen“, zeigte sich der Wiener SPÖ-Politiker überzeugt. Das betreffe durchaus die Gesamtsumme. Denn der Betrag von 340 Mio. Euro sei nicht gedeckelt. Eine Höchstgrenze sei nie vereinbart worden, vielmehr werde „scharf“ abgerechnet, stellte Hacker klar.

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