Rapid-Kritik an Polizei-Einsatz

Nach der Kritik an dem Polizeieinsatz vor dem Wiener Derby, bei dem die Polizei mehr als 1.300 Rapid-Fans eingekesselt hat, hat die Exekutive Videomaterial vom Einsatz veröffentlicht. Bei Rapid spricht man weiter von „Freiheitsberaubung“.

Die Wiener Polizei veröffentlichte am Montagnachmittag Bild- und Videomaterial, um „den Einsatz für die Öffentlichkeit nachvollziehbarer zu machen und um die derzeit zahlreich kursierenden Fehlinformationen und Anschuldigungen zu berichtigen“. Ebenso wurden Teile des Einsatzprotokolles veröffentlicht.

Fans sorgten für Sperre der Tangente

Demnach habe es bereits im Vorfeld von Fangruppierungen den Aufruf gegeben, an einem gemeinsamen Marsch – genannt „Corteo“ – von Hütteldorf nach Favoriten teilzunehmen. Laut Polizeiprotokoll ist es um 12.30 Uhr, also viereinhalb Stunden vor dem Spielbeginn, zum Einsatz verbotener pyrotechnischer Gegenstände gekommen - nämlich beim Marsch zum Bahnhof Hütteldorf und schließlich im Bahnhofsareal. Selbiges geschah laut Angaben der Exekutive auch beim Umstieg am Karlsplatz.

Auf dem Weg von der U-Bahn-Station Reumannplatz zur Generali Arena kam es laut Polizei auf der Laaer-Berg-Straße „zu massiver Verwendung pyrotechnischer Gegenstände sowie dem Bewurf angrenzender Häuser, Fenster, Geschäftslokale und unbeteiligter Zivilpersonen“. Als wenig später einige Fans auf dem Weg zum Stadion auch pyrotechnische Gegenstände, Getränkedosen und Schnee auf die Fahrbahn der A23 warfen, musste die Tangente ab 15.05 Uhr rund zehn Minuten gesperrt werden.

„Aufgrund der vorliegenden Strafrechtsdelikte sowie aufgrund des aggressiven Verhaltens vieler Fans war zu diesem Zeitpunkt eine Eskalation im Bereich des Stadions geradezu zu erwarten, weshalb um 15.06 Uhr die Anhaltung aller sich in diesem Bereich befindlichen Personen erfolgte. Die Anhaltung erfolgte bewusst im Bereich des Fußweges zwischen Laaer-Berg-Straße und Stadion, da aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nur in diesem Bereich eine einsatztaktisch vertretbare Anhaltung möglich war“, heißt es von der Polizei.

Konter von Rapid gegen die Polizei

Als nicht verhältnismäßig bezeichnet die Rapid-Führung das Vorgehen der Polizei vor dem Derby in der Generali-Arena.

Um die mutmaßlichen Täter anzeigen zu können, wurden „1.338 Fans im Bereich des Tatorts“ von der Polizei angehalten und Identitätsfeststellungen unterzogen. Laut Polizei erfolgten um 17.07 Uhr und um 18.31 Uhr „weitere Durchsagen, dass Frauen, Kinder sowie gebrechliche Personen vortreten mögen und bevorzugt behandelt werden, um sie schnellstmöglich aus der Amtshandlung entlassen zu können. Auch diese Durchsage verursacht ablehnende Rufe“. Um 21.55 Uhr sei dann die letzte Identitätsfeststellung abgeschlossen gewesen.

Rapid: „Keinerlei Verhältnismäßigkeit gegeben“

Die „Rechtshilfe Rapid“ übte auf Twitter Kritik, dass die Fans an der engsten Stelle eingekesselt und in der Kälte längere Zeit festgehalten worden seien. Die Kritik bekräftigte auch der Verein am Montag per Aussendung. „Den perlustrierten Personen, darunter auch Kinder, Frauen und ein Mädchen, das aufgrund einer Diabeteserkrankung insulinpflichtig ist, mussten ohne Versorgung (Getränke oder Essen) und ohne Möglichkeit, sanitäre Anlagen aufzusuchen, dort verharren“, hieß es in der Aussendung von Rapid.

Rapid-Präsident Michael Krammer, der laut eigenen Angaben ab 18.30 Uhr selbst den Polizeieinsatz beobachtet hatte, übte heftige Kritik am Vorgehen der Beamten. „Was ich am Sonntagabend erlebt habe, hätte ich aber im Rechtsstaat Österreich nicht für möglich gehalten. Hier war keinerlei Verhältnismäßigkeit gegeben. Menschen über Stunden bei Minusgraden einer solchen Situation auszusetzen, halte ich für skandalös“, so der Rapid-Präsident.

Er verlangte, dass das Vorgehen der Polizei „hinterfragt und aufgearbeitet wird“. Denn für Krammer sei es nicht in Ordnung, dass „über 1.300 Personen unter Generalverdacht gestellt und über Stunden unter menschenunwürdigen Umständen festgehalten werden“. In einer Pressekonferenz am Montag meinte Krammer zudem, dass unter den Betroffenen „mindestens 200 Frauen“ waren. Für Krammer war der Einsatz der Polizei „nicht spontan, das war geplant. Der Einsatz war nicht verhältnismäßig.“

Rapid sieht Freiheitsberaubung

„Hier wurden, aus welchen Motiven auch immer, Leute ihrer Freiheit beraubt und zwar wurden sie stundenlang in einer völlig unangemessenen und jegliche Verhältnismäßigkeit mit Füßen tretenden Art und Weise in einem Kessel festgehalten“, sagte Rapids Vizepräsident Nikolaus Rosenauer am Montag.

Die durch die Videoaufnahmen belegten (Schneeball)-Würfe durch Rapid-Anhänger auf die Südosttangente verurteilte die Vereinsführung. Ein solcher Werfer sei „kein Rapidler, das ist ein Krimineller, der Rapid missbraucht und für sich vereinnahmt“, erklärte Rosenauer. Der (hauptberufliche) Anwalt hatte für das Folgende aber keinerlei Verständnis. „Den Rest unter Generalverdacht zu stellen, das sind für mich polizeistaatliche Maßnahmen. Insgesamt wenn dies ohne jegliche Genehmigung durch die Justiz erfolgt.“

Polizei weist Kritik zurück

Kritik, wonach die Rettung nicht zufahren habe dürfen, wies die Polizei zurück. Während des gesamten Einsatzes mussten drei Menschen von der Rettung abtransportiert werden. Ein Mann klagte über Knieprobleme, eine Frau hatte Kreuzschmerzen, ein dritter Patient klagte über Kreislaufbeschwerden. Während der Amtshandlung seien drei Notfallsanitäter der Polizei anwesend gewesen, die insgesamt 22 Hilfeleistungen durchgeführt hätten.

„Es entspricht der grundsätzlichen Einsatzphilosophie der Wiener Polizei, dass von Zwangsmaßnahmen betroffene Kinder, Frauen oder gebrechliche Personen möglichst bevorzugt und somit rasch abgefertigt werden“, hieß es in der Aussendung der Polizei. Um 19.45 Uhr sei auch die Berufsfeuerwehr Wien unterstützend angefordert worden, „um die angehaltenen Personen mit warmen Getränken zu versorgen. Bereits zuvor erfolgte die Verteilung von Trinkwasser“.

Der Einsatz endete nach knapp sechs Stunden mit mehreren Anzeigen. Laut Polizei gab es etwa eine Anzeige wegen vorsätzlicher Gemeingefährdung und eine verwaltungsrechtliche Festnahme. Zahlreiche pyrotechnische Gegenstände, darunter „eine Rauchgranate polnischen Fabrikats“, seien sichergestellt worden.

Rapid-Fans vor der Generali-Arena in Favoriten

ORF

Polizei kesselte „1.338 Fans“ ein

Polizeipräsident erwartet „Stadionverbote“

„Gewalt hat auch beim Fußball nichts verloren. Die Wiener Polizei ist dieser entschieden entgegengetreten. Zusätzlich werden die Straftäter, die wegen konkreter gefährlicher Angriffe ausgeforscht werden, der Bundesliga zur Prüfung eines Sportstättenbetretungsverbotes gemeldet. Ich erwarte mir aber - wie alle friedfertigen Fußballfans - darüber hinaus auch, dass der Verein gegen alle gewaltbereiten Fans, soweit sie ihm bekannt sind, konsequent, auch mit Stadionverboten, vorgeht", so der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl in einer Aussendung nach dem Einsatz.

Mutmaßung über geplante Retourkutsche

In Fankreisen und in Sozialen Netzwerken wurde über eine geplante Retourkutsche der Polizei für eine Anti-Polizei-Choreografie gemutmaßt. Vor dem Anpfiff des Europa-League-Spiels am Donnerstag hatte die organisierte Fanszene tribünenübergreifend in großen, grünen Lettern den Schriftzug „1312“ präsentiert, ein Code für die Abkürzung „ACAB“, die für die Beschimpfung „All Cops Are Bastards“ steht. Die Justiz stellte am Montag gegenüber der APA klar, dass der Einsatz nicht von ihr angeordnet worden sei.

Rapid-Fan Christoph Specht war am Sonntag sechs Stunden lang unter den Fans. Gegenüber „Wien heute“ nannte er die Dauer des Einsatzes, die Information und „vor allem die Platzsperre gegen alle, die mitgegangen sind“, „alles andere als verhältnismäßig“.

Austria fegt Rapid vom Platz

Sportlich betrachtet war das Derby ein Desaster für Rapid. Die Austria gewinnt mit 6:1. In der Europa League spielt Rapid gegen Inter Mailand .

Austria feiert Schützenfest im Derby

Sportlich feierte die Austria am Sonntag im 328. Wiener Derby gegen Rapid ein 6:1 (4:1)-Schützenfest. Knackpunkt war eine Rote Karte für Dejan Ljubicic beim Stand von 1:1, nach dem Ausschluss trafen die Gastgeber binnen sechs Minuten dreimal. Für Rapid war es die höchste Derby-Niederlage seit Gründung der Bundesliga im Jahr 1974 - mehr dazu in sport.ORF.at.