Auf den Spuren der Werkbundsiedlung

Vor 80 Jahren ist die Werkbundsiedlung in Wien-Hietzing eröffnet worden. Die Häuser stellten damals eine Leistungsschau des Wohnbaus dar. Das Wien Museum beleuchtet nun die Hintergründe des speziellen Wohnprojektes.

Während der wirtschaftlichen und politischen Instabilität der Zwischenkriegszeit entstand der Traum von einem besseren, modernen Leben in Reihenhäusern mit Garten: Die Eröffnung der Werkbundsiedlung 1932 in Lainz war eine der Konsequenzen daraus. Österreichische und internationale Architekten entwarfen im Zuge des Projektes 70 Musterhäuser, die im Gegensatz zum Wohnbauprogramm des „Roten Wien“ standen und als „größte Bauausstellung Europas“ bezeichnet wurden.

Blick auf die Werkbund-Häuser 17 bis 24 von Karl Augustinus Bieber, Otto Niedermoser, Walter Loos, Eugen Wachberger und Clemens Holzmeister

Wien Museum/Martin Gerlach jun.

Die Werkbundsiedlung im Kleinformat

Den Besucher erwarten unbekannte Zeichnungen, Fotografien und Pläne zur Veranschaulichung des Wohnprojektes. Weiters informiert die Ausstellung über die ersten Bewohner und Bewohnerinnen, die Probleme der Erhaltung und die derzeitige Sanierung der Häuser. Als besondere Attraktionen wurden anlässlich der Ausstellung ein Gesamtmodell der Siedlung angefertigt und ein Zimmer rekonstruiert.

Wohnraum in Werkbund-Haus 45 von Jacques Groag, 1932

Wien Museum/Julius Scherb

Wohnraum im Haus von Jacques Groag

Individuelles Gestalten statt Maschinenästhetik

31 Architekten und eine Architektin aus Österreich, Frankreich, Deutschland, Holland und den USA (u.a. Margarete Schütte-Lihotzky, Richard Neutra, Adolf Loos und Andre Lurcat) nahmen unter der Leitung des österreichisch-schwedischen Architekten Josef Frank an der Konstruktion und Ausstattung der Musterhäuser teil. In den Vordergrund wurden individuelle Gestaltung und eine persönlichere, flexible Möblierung gestellt.

Die bunten Häuser mit Terrassen und moderner Möblierung sollten zum Vorbild für den Bau von Siedlungen im Grünen werden. Sie setzten ein Zeichen gegen die rein zweckmäßigen Konstruktionen der ausländischen Avantgarde. Die Wohnanlage und ihre Innenräume sollten nicht nur nützlich sondern auch komfortabel und ansehnlich sein. Besonders die Verwendung von Bugholz erleichterte die Herstellung von kunstvollen und dennoch bequemen Möbeln. Der Wunsch nach mehr Flexibilität im Wohnbereich war erfüllt.

Wohnraum im Werkbund-Haus von Josef Frank, 1932

Wien Museum/Martin Gerlach jun.

Wohnrau von Josef Frank

Vom Schauobjekt zum Wohnraum

100.000 Besucher strömten aus Schaulust oder um sich von der zeitgenössischen Möblierung inspirieren zu lassen zur Wohnungsschau. Während die internationale Öffentlichkeit sehr positiv auf die Werkbundsiedlung reagierte, betrachtete die lokale Presse die „Musterkolonie von Zwergenhäusern“ eher spöttisch.

Nach dem Ende der Ausstellung im August 1932 konnten aufgrund der hohen Preise nur 14 der 70 Häuser verkauft werden. Die restlichen Wohneinheiten wurden von der GESIBA vermietet. 1938 fielen jüdische Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlung sowie zahlreiche Mitwirkende von 1932 der nationalsozialistischen Verfolgung zum Opfer. Die nicht verkauften Häuser gingen zu diesem Zeitpunkt in den Besitz der Gemeinde Wien über. Fortan lebten hier vor allem Beamte, Ingenieure und Künstler.

Erste Sanierungstranche abgeschlossen

Im August 2011 konnte nach mehrmaligem Aufschieben die seit 1980 erste Sanierung der Werkbundsiedlung begonnen werden. Die Revitalisierung der verbliebenen Häuser wird einige Jahre in Anspruch nehmen und sich in mehreren Etappen vollziehen. Erst im vergangenen Juni wurde der erste Sanierungsabschnitt, der drei leer stehende und ein bewohntes Haus umfasste, erfolgreich abgeschlossen.

Reihenhäuser von Andre Lurçat, 1932

Wien Museum/ Martin Gerlach jun.

Sendungshinweis

„Wien heute“, 6. September 2012

Erreicht werden sollen ein Optimum in Bezug auf den Denkmalschutz der Gebäude sowie eine Erhöhung des Wohnkomforts. Die Kosten des gesamten Sanierungsprojekts von rund zehn Millionen Euro übernimmt zum Großteil die Stadt - mehr dazu in Werkbundsiedlung: Erster Teil fertig.

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