Malariatherapie: Kommission nimmt Arbeit auf

Der Historiker Gernot Heiss wird jene Expertenkommission leiten, die die Vorgänge an der Medizinischen Fakultät nach 1945 aufklären soll. Es geht dabei auch um die Vorwürfe, dass Heimkinder bewusst mit Malaria infiziert worden seien.

„Als ersten Schritt überprüfen wir bis Ende Mai dieses Jahres die verfügbaren Quellen, wobei wir uns bei den Untersuchungen vorerst auf die Zeit der 1950er und 60er Jahre konzentrieren. Wir wissen derzeit ja noch nicht, welche Quellen uns überhaupt noch in welcher Form zur Verfügung stehen“, sagte Heiss, der von MedUni Wien-Rektor Wolfgang Schütz vorgestellt wurde. „Nach einem Jahr soll ein Zwischenbericht und in zwei Jahren der Endbericht vorliegen.“

Malariatherapie: Leiter der Untersuchungskommission Gernot Heiss

ORF

Historiker Gernot Heiss

Mit Heiss sind der Zeitgeschichtler Oliver Rathkolb, der an der Universität Wien lehrende US-Historiker Mitchell Ash, Margarete Grandner und Gabriella Hauch im Team. Sie werden von externen Experten und einem Beirat der MedUni Wien unterstützt. Als externe Experten wurden der Wiener Patientenanwalt Konrad Brustbauer, der Medizinrechtler Christian Kopetzki und die Psychiaterin Elisabeth Brainin gewonnen. Für die MedUni sitzen die vier Psychiatrie-Professoren Siegfried Kasper, Max Friedrich, Johannes Wancata und Stephan Doering sowie Michael Hubenstorf vom Institut für Geschichte der Medizin im Beirat.

Zeitraum von 1945 bis 1978 wird untersucht

Vor allem die Situation der psychisch Kranken an der damaligen „Klinik Hoff“ soll ausgehend von der sogenannten „Malariatherapie“ durchleuchtet werden. Hauptfrage ist, ob Behandlungen durchgeführt wurden, die methodisch und ethisch nicht dem damaligen Stand der Wissenschaft entsprachen.

Die unabhängige Expertenkommission wird „den Zeitraum von 1945 bis 1978, dem Gründungsjahr der Ethik-Kommission an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, untersuchen“, erklärte die Vizerektorin der MedUni Wien, Christiane Druml.

Stellen sich die Vorwürfe der Betroffenen als richtig heraus, soll mit dem Weißen Ring die Frage der Entschädigung geklärt werden. Den Opfern steht bereits jetzt ein Krisenteam zur Verfügung.

Jahrelange Fieberschübe

An Wiener Heimkindern sollen in den 1960er Jahren zweifelhafte Therapien und medizinische Versuche mit Malaria-Erregern durchgeführt worden sein. Er sei mit Malaria infiziert worden, von jemand anderem sei Blut abgenommen und ihm in den Muskel eingespritzt worden, hatte ein ehemaliges Heimkind angegeben. Die Ärztin habe ihm offen gesagt, dass da Versuche gemacht werden. 42 Grad Fieber über zwei Wochen hinweg und dann noch jahrzehntelang Fieberschübe seien die Folgen gewesen.

In der Affäre um die Verabreichung von „Malaria-Therapien“ gegen psychiatrische Erkrankungen in den 1960er Jahren an der Wiener Klinik Hoff meldeten sich zuletzt immer mehr Betroffene - mehr dazu in Malaria-Tests: Immer mehr Betroffene.

Zur Behandlung von Syphilis

Für die Malaria-Therapie zur Behandlung von Syphilis hatte Julius Wagner-Jauregg 1927 zwar den Nobelpreis bekommen, später wurde sie auch für andere psychiatrische Erkrankungen angewandt, aber 1964 war all das längst nicht mehr Stand der Wissenschaft. Das bestätigte der Zeitzeuge und Psychiater Bernd Küfferle, der ab 1965 an der Unipsychiatrie gearbeitet hatte. Dennoch seien dort kurz davor tatsächlich noch Patienten mit Malaria infiziert und mit „Fieberkuren“ behandelt worden. Laut Küfferle wollte die Klinik den Malaria-Erreger in Patienten am Leben erhalten, um ihn für die Behandlung von Syphilis verfügbar zu haben.

Der aktuelle Unipsychiatrie-Chef Johannes Wancata meinte, er könne sich die Vorgangsweise seiner Vorgänger nicht erklären und bedaure und verurteile sie, wenn es nur um die Erhaltung des Malaria-Erregerstammes gegangen sein sollte.

„Wir haben in den 1970er-Jahren noch immer Methoden gehabt, für die ich mich geschämt habe, aber ich konnte nicht aus“, sagte der Wiener Kinder- und Jugendpsychiater Max Friedrich, der als junger Arzt die nun angeprangerten Behandlungsmethoden miterlebt hat - mehr dazu in Malariatherapie: Arzt „schämt“ sich (wien.ORF.at; 7.3.12).

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