Weniger Strafverfahren gegen Diplomaten

1.838 Anzeigen wegen Verkehrsübertretungen sind im ersten Halbjahr 2012 gegen Diplomaten in Wien erstattet worden, 2010 waren es noch 3.275. In den meisten Fällen zahlen die Diplomaten ihre Strafen, obwohl sie durch ihre Immunität geschützt wären.

„Diplomaten begehen nicht alle Übertretungen straflos. In mehr als 70 Prozent der Fällen werden die Verfahren ganz normal geführt“, meinte Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums. In 517 der 1.838 Fälle wurden die Verfahren im Schutz der Immunität abgebrochen. Die häufigsten Vergehen waren Schnellfahren, bei Rot über die Ampel, Sperrlinien nicht beachten, Telefonieren am Steuer bis hin zu Alkoholdelikten.

„Was die Standarddelikte angeht, unterscheiden sich Diplomaten kaum von anderen Verkehrsteilnehmern“, berichtete Peter Goldgruber, Leiter der Sicherheits- und Verkehrspolizeilichen Abteilung der Bundespolizeidirektion Wien. Die meisten Anzeigen erfolgen über den Weg der technischen Verkehrsüberwachung (Radar, Section Control, Rotlichtüberwachung etc.). Dabei sticht besonders die Section Control im Kaisermühlentunnel (der Weg zum und vom Vienna International Center) hervor.

Wiener Übereinkommen schützt Diplomaten

Aufgrund des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen unterliegen Diplomaten im Empfangsstaat nicht der Strafgerichtsbarkeit. Die Immunität befreit sie aber nicht von der Gerichtsbarkeit im Entsendestaat.

Ausnahmslos gilt die Immunität aber nur für jene Diplomaten mit roter Legitimationskarte. Das betrifft etwa den Botschafter und seine Familie oder fixe Mitglieder von Organisationen wie der UNO - für sie gilt der Schutz sowohl beruflich als auch privat. Den Status einer blauen Legitimationskarte haben die Angestellten der Botschaft, z.B. der Chauffeur des Botschafters. Für ihn gilt die Immunität nur beruflich, aber nicht privat.

Insgesamt gibt es in Österreich laut Außenministerium 7.300 Besitzer roter Legitimationskarten und 1.500 mit blauer. Die überwiegende Mehrheit der Diplomaten hält sich in Wien auf (rund 200 gibt es in Niederösterreich, wenige andere auch in den restlichen Bundesländern). Die Bundeshauptstadt ist der Sitz zahlreicher internationaler Organisationen mit viel diplomatischem Personal.

Diplomat darf Strafe nicht bezahlen

Nach jeder Anzeige muss die Polizei zunächst mit dem Außenministerium abklären, ob es sich um einen Diplomaten mit roter oder blauer Legitimationskarte handelt. Hat die Person „blauen“ Status, wird geprüft, ob ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit besteht oder ob die Anzeige in der Freizeit erfolgt ist.

Liegt Immunität vor, fragt die Behörde an, ob die Organisation oder der Staat auf den Einwand der Immunität verzichten möchte, schilderte Peter Goldgruber. Ist das der Fall, bezahlt der Diplomat seine Strafe. Grotesk: Wird beispielsweise ein Diplomat von einem Polizisten angehalten und möchte sein Organmandat bezahlen, dann „darf er das gar nicht“, weil er nicht der Strafgerichtsbarkeit unterliegt, so der Jurist weiter. Auf die Immunität kann nur die Organisation oder der Staat verzichten.

Welche Nationen die Hitliste der Verkehrsrowdys anführen, war der Polizei nicht zu entlocken. Aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung aus dem Jahr 2011 geht hervor, dass 2010 in Österreich die meisten nicht bezahlten Strafzetteln der Russischen Föderation zuzuordnen waren, gefolgt von Kasachstan und China.