Kampusch: Kein Fehler bei Ermittlern

Die fünf in die Ermittlungen im Entführungsfall Natascha Kampusch eingebundenen Staatsanwälte werden strafrechtlich nicht weiter verfolgt. Das Amtsmissbrauchsverfahren wird eingestellt.

Die Tiroler Strafverfolgungsbehörden hatten gegen ihre Wiener Kollegen auf Basis von Anschuldigungen des ehemaligen OGH-Präsidenten Johann Rzeszut ermittelt, der diesen in seiner Funktion als Ex-Mitglied einer vom Innenministerium eingesetzten Evaluierungskommission zu den Kampusch-Ermittlungen schwere Versäumnisse vorgeworfen hatte.

Vorwurf: Ergebnisse der Polizeiarbeit ignoriert

Rzeszut bezichtigte die Staatsanwälte, wissentlich wesentliche Ergebnisse der Polizeiarbeit ignoriert und sich frühzeitig auf Wolfgang Priklopil als Einzeltäter festgelegt zu haben. Diese haben das zurückgewiesen - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Das Amtsmissbrauchsverfahren gegen die Betroffenen - darunter der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien und der ehemalige Kampusch-„Sonderermittler“ und nunmehrige Chef der Staatsanwaltschaft Graz - wird nun nicht weitergeführt. Das wurde am Donnerstag vom zuständigen Sektionschef im Justizministerium verkündet.

Oberstaatsanwalt Pleischl: „Eine Genugtuung“

Mit Genugtuung hat Werner Pleischl, der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, die Einstellung des gegen ihn und gegen vier weitere Staatsanwälte geführten Verfahrens zur Kenntnis genommen. Pleischl hofft nun, dass damit die Spekulationen über immer wieder behauptete Versäumnisse bei den Ermittlungen im Entführungsfall Natascha Kampusch ein Ende finden

„In diesem Fall ist allen Verdachtsmomenten nachgegangen worden. Insbesondere der Vermutung, es könnte neben Wolfgang Priklopil einen zweiten Täter gegeben haben“, betonte Pleischl. In diesem Zusammenhang habe man speziell die Aussage einer ehemaligen Mitschülerin von Natascha Kampusch „sehr ernst genommen“, die angegeben hatte, sie habe bei der Verschleppung der damals Zehnjährigen einen zweiten Mann wahrgenommen, während das Entführungsopfer nach der geglückten Flucht stets nur von einem Einzeltäter gesprochen hatte.

Kein Sachbeweis für zweiten Täter

„Es ist nichts Ungewöhnliches, dass Zeugenaussagen differieren“, gibt Pleischl zu bedenken. Man sei der Aussage der Zeugin „und allen sinnvollen Beweisansätzen auf einen möglichen zweiten Täter“ nachgegangen: „Die entsprechenden Hinweise wurden entweder widerlegt oder konnten zumindest nicht erhärtet werden.“

Auch Sachbeweise, die auf einen Komplizen Priklopils hingedeutet hätten, fanden sich nicht, bekräftigte der OStA-Chef einmal mehr. So wurden im Verlies, in dem Kampusch jahrelang festgehalten wurden, ausschließlich DNA-Spuren des Mädchens und Priklopils sichergestellt.

Pleischl über Unterstellungen empört

Unterstellungen, die Strafverfolgungsbehörden könnten in dieser Causa etwas vertuscht haben, sind für Pleischl gleichermaßen nicht nachvollziehbar wie empörend. „Mit dieser Sache waren die Wiener Polizei, die Sonderkommission im Burgenland, das Bundeskriminalamt, die Staatsanwaltschaft Wien, die Oberstaatsanwaltschaft Wien, der Grazer Oberstaatsanwalt Mühlbacher und zuletzt die Staatsanwaltschaft und die Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck befasst. Was hätten wir für ein Interesse, Kinderschänder zu decken? Es ist nicht denkbar, dass wir so jemanden decken! Wenn wir als Staatsanwaltschaft ein so schreckliches Verbrechen aufdecken können, tun wir es.“

Grundsätzlich hält es Pleischl für „unverantwortlich, bei der Bevölkerung Ängste zu schüren, die Staatsanwaltschaften würden Hinweisen auf Kindesmissbrauch nicht nachgehen“. Er selbst sei Vater und Großvater: „Ich kenne die Angst eines Elternteils, wenn ein Kind zehn Minuten zu spät von der Schule heimkommt.“

Pilz fordert Ablöse Pleischls

Der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz fordert die Ablöse Pleischls als Leiter der Oberstaatsanwaltschaft. Dieser sei „der Pate der Regierungsjustiz“, sagte Pilz. In seiner Funktion habe sich Pleischl in diesen Fällen als „Regierungsherd in der Justiz“ erwiesen, den man „herausschneiden“ müsse, so Pilz wörtlich.

Diesbezüglich sei nun ein parlamentarischer U-Ausschuss „unausweichlich“. „Wenn sich die Staatsanwälte gegenseitig schützen, bleibt nur mehr das Parlament, um den Rechtsstaat zu verteidigen“, meinte der Grün-Politiker.

Karl will hundertprozentige Sicherheit

Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) kündigte an, dass sie in dieser heiklen Angelegenheit jeden Zweifel an den Ermittlungen der Justiz ausräumen wolle. „Ich habe mich dazu entschlossen, einen Double-Check durchzuführen und die Staatsanwaltschaft angewiesen, den gesamten Akt dem Rechtsschutzbeauftragten der Justiz zur neuerlichen Prüfung zukommen zu lassen“, so die Justizministerin. Sie wolle hundertprozentige Sicherheit.

Wenn auch diese weitere Prüfung ergebe, dass alles unternommen wurde, um den Verdacht in Richtung möglicher Mittäter aufzuklären, will sie den Aktendeckel zuklappen - andernfalls werde der Fall fortgesetzt.

Der Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss stehe sie aus Gründen des Opferschutzes skeptisch gegenüber, meinte Karl. Sollte sich das Parlament dennoch entschließen, diese Causa nochmals prüfen zu wollen, sollte nach Karls Ansicht damit der ständige Unterausschuss des Innenausschusses betraut werden: „Dieser ist geheim, wodurch auch der Opferschutz, also vor allem die Rechte von Frau Kampusch an der Wahrung ihres höchstpersönlichen Lebensbereiches, gewahrt werden.“