Kritik: Zu wenig Psychotherapie für Kinder

Die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) baut ihr Angebot zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Problemen aus. Laut dem Wiener Landesverband für Psychotherapie (WLP) ist das nur ein „Tropfen auf den heißen Stein“.

Ein schwieriges familiäres Umfeld, Druck in der Schule - immer mehr Kinder und Jugendliche schaffen es nicht, den Alltag zu bewältigen. Bis zu 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen würden eine Therapie brauchen, hieß es vom Wiener Landesverband für Psychotherapie gegenüber Radio Wien.

In dem neuen Therapiezentrum sollen sich Therapeuten um rund 160 junge Betroffene pro Jahr kümmern. Die Unterstützung können alle Versicherten der WGKK kostenlos in Anspruch nehmen, sagte Obfrau Ingrid Reischl am Montagnachmittag in einer Pressekonferenz. Die neue Betreuungsstelle entstand - wie bereits zwei bestehende Ambulanzen in Wien - in Kooperation mit der Sigmund Freund Universität.

Rektor Alfred Pritz sprach von einem „hohen Bedarf“ an Hilfe, wobei genaue Zahlen mangels wissenschaftlicher Untersuchungen nicht vorlägen. Aus der Praxis wisse man jedoch, dass die Altersgruppe zwischen sieben und 15 Jahren am meisten Unterstützung bräuchten.

„Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein“

Aber auch das neue Angebot in der Andreasgasse würde den Bedarf nicht abdecken, kritisierte WLP-Verbandsvorsitzende Leonore Lerch: „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Das ist einfach nicht ausreichend.“

TV-Hinweis:

Im „Wien-heute“-Studio ist am Montag Eva Mückstein, Präsidentin des Bundesverbandes für Psychotherapie, zu Gast. Das Gespräch können Sie nach der Sendung On Demand nachsehen.

Nur etwa ein Drittel der Betroffenen ist in Behandlung, hieß es vom WLP. Einerseits gebe es zu wenig Therapieplätze, andererseits könnten sich viele Eltern die Therapie nicht leisten, so Lerch. „Vor allem gibt es zum Teil sehr lange Wartezeiten. Manche Kinder müssen bis zu einem Jahr auf einen Therapieplatz warten.“ Die Kasse solle den Zuschuss zur Therapie auf „mindestens 40 Euro erhöhen“, forderte Lerch. Derzeit übernimmt die Kasse 21,80 Euro.

Werden die Ursachen nicht rechtzeitig behandelt, werden aus psychisch kranken Kindern oftmals psychisch kranke Erwachsene, was auch der Volkswirtschaft teuer zu stehen komme, warnte Lerch.

WGKK will Versorgung ausbauen

WGKK-Chefin Reischl kündigte an, dass die Kinder- und Jugendversorgung der Kasse in Zukunft weiterhin ausgebaut werden soll. Sie sei bereits mit Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) in Gespräche getreten, wie man hier Verbesserungen erreichen könne. Ergebnisse werde man nächstes Jahr präsentieren. Laut der Obfrau gibt die WGKK rund 17,6 Mio. Euro pro Jahr für psychotherapeutische Leistungen aus.

Lob für die neue Anlaufstelle gab es heute von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ). Die WGKK habe die Zeichen der Zeit erkannt, denn: Wer Kindern möglichst früh helfe, leiste nachhaltig Hilfe, da Kosten für eventuell spätere Behandlungen präventiv eingespart werden könnten.

Laut der WGKK-Chefin nehmen österreichweit 8.000 Kinder unter zehn Jahren Psychopharmaka. Bei den Unter-19-Jährigen seien es sogar mehr als dreimal soviel, verwies sie auf eine Studie des Hauptverbandes. Die Kasse habe trotz laufender Budgetkonsolidierung die Schwerpunktsetzung in Richtung Jugendversorgung weiter verstärkt.

Probleme auch bei Erwachsenen

Das Angebot an günstiger psychotherapeutischer Versorgung ist auch für Erwachsene mangelhaft. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zur Behandlung davon gibt es genug in Wien, doch von den Krankenkassen wird dafür nur sehr wenig Geld zur Verfügung gestellt - mehr dazu in Weiter kein Geld für Psychotherapien.

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