Erste Seligsprechung im Stephansdom

Wenn am Sonntag Hildegard Burjan selig gesprochen wird, ist dies die erste Seligsprechung im Stephansdom überhaupt. Bis vor wenigen Jahren fanden Seligsprechungen in der Regel in Rom statt und wurden vom Papst vorgenommen.

Kurienkardinal Angelo Amato, der die Seligsprechung im Stephansdom vornehmen wird, wurde von Papst Benedikt XVI. als sein persönlicher Vertreter mit diesem Akt beauftragt. Er steht auch dem gesamten Gottesdienst vor. Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn hält die Festpredigt. Von politischer Seite haben sich nach derzeitigem Stand Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ), der zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer und Finanzministerin Maria Fekter (beide ÖVP) angesagt.

TV-Hinweis:

Der Festgottesdienst wird auf ORF III und ORF Wien live übertragen.

Höhepunkt der Feier ist die Verlesung des päpstlichen Seligsprechungsdekretes durch Kardinal Amato. Im Anschluss wird ein großes Portrait Burjans hochgezogen und eine Glasstele mit der Reliquie Hildegard Burjans in einer Prozession zum Altar gebracht und davor abgestellt. Neben einem Knochensplitter der Seligen enthält diese auch den Ehering Burjans sowie jene Caritas-Socialis-Brosche, die bei der Öffnung ihres Sarges 2005 gefunden wurde. Der Dom ist für Interessierte ab 14.15 Uhr über das Riesentor zugänglich.

Die Gründerin des Wiener Schwesterngemeinschaft "Caritas Socialis" (CS) Hildegard Burjan

APA/DPA/EPA/ARNO BURGI

Die Gründerin der „Caritas Socialis“ (CS) Hildegard Burjan

Den Antrag zur Seligsprechung stellt grundsätzlich der örtlich zuständige Bischof, im Falle von Hildegard Burjan war dies 1963 der damalige Wiener Erzbischof Kardinal Franz König. Auch wenn es die erste Seligsprechung im Stephansdom ist, ist es nicht der erste Festakt dieser Art der in Wien stattfindet. Johannes Paul II. sprach beispielsweise am 21. Juni 1998 bei seinem Besuch in Wien Restituta Kafka, P. Anton Maria Schwarz und Jakob Kern auf dem Heldenplatz selig.

Einsatz für Gleichberechtigung der Frau

Burjan war eine der großen Gestalten der christlichen Frauenbewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Gründerin der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis und Kämpferin für Frauenrechte ist außerdem weltweit die erste Parlamentarierin, der eine solche Ehre zuteil wird.

Am 30. Jänner 1883 als Hildegard Freund im sächsischen Görlitz in eine liberale jüdische Familie geboren, studierte Burjan in Zürich Literatur und Philosophie und in Berlin Sozialwissenschaft. Im Jahr 1907 heiratete sie den gebürtigen Ungarn Alexander Burjan. Nach Heilung von einer schweren Krankheit konvertierte sie zur römisch-katholischen Kirche.

„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“

1912 gründete Burjan den Verband der christlichen Heimarbeiterinnen und 1918 den Verein Soziale Hilfe. Als Frauen 1919 erstmals das aktive und passive Wahlrecht ausüben konnten, zog Burjan als erste christlich-soziale Abgeordnete in das österreichische Parlament ein.

Burjan setzte sich entschieden für die Gleichberechtigung der Frau, für die Bekämpfung der Kinderarbeit und für die Überwindung sozialer Missstände ein. Viele soziale Rechte für Frauen und Kinder, die heute selbstverständlich sind, gehen auf ihre Initiative zurück. Zu ihren wichtigsten politischen Forderungen zählte schon damals „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ für Frauen.

Am 11. Juni 1933 verstorben

Am 4. Oktober 1919 gründete sie die religiöse Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis, mit dem Auftrag, soziale Not der Zeit zu erkennen und zu lindern. Als große Ausnahme in der neueren Ordensgeschichte war Hildegard Burjan zugleich Oberin ihrer Gemeinschaft, Ehefrau (eines der führenden Industriellen seiner Zeit) und Mutter einer Tochter. Zugleich war sie die Beraterin führender Politiker der Ersten Republik, so etwa von Bundeskanzler Prälat Ignaz Seipel.

Obwohl sie nur kurze Zeit dem Parlament angehörte, galt sie schon bald als dessen „Gewissen“. Die tief religiöse Hildegard Burjan stellte sich dem Elend großer gesellschaftlicher Schichten und beschäftigte sich mit Jugendkriminalität, Verwahrlosung und Prostitution. Dadurch erwarb sie sich auch den Respekt vieler sozialdemokratischer Politiker.

Als im Jahr 1920 Neuwahlen anstanden, zog sich Burjan aus Rücksicht auf ihre stark angeschlagene Gesundheit und wegen der zunehmenden antisemitischen Strömungen auch innerhalb ihrer Partei aus dem Parlament zurück, blieb aber weiter politisch aktiv. Hildegard Burjan starb am 11. Juni 1933 an einem schweren Nierenleiden.

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