Malariatherapie: Friedrich „schämte“ sich

Der Kinder- und Jugendpsychiater Max Friedrich hat als junger Arzt an der damaligen Universitätsklinik für Psychiatrie und Neurologie („Klinik Hoff“) nun angeprangerte Behandlungsmethoden miterlebt. Er habe sich dafür geschämt, wie er nun sagte.

„Es hat ‚Fieberkuren‘ gegeben, es hat Insulinschocktherapien am laufenden Band gegeben, es hat Elektroschocks am ‚Band‘ gegeben. Wir haben in den 1970er-Jahren noch immer Methoden gehabt, für die ich mich geschämt habe, aber ich konnte nicht aus“, sagte Friedrich bei der 45. Fortbildungswoche der Apothekerkammer in Saalfelden. Kinder - möglicherweise vor allem Heimkinder - sollen an der Abteilung der „Klinik Hoff“ absichtlich mit Malaria infiziert worden sein.

Menschen zum „Forschungsgegenstand“ geworden

„Es wurden damals alle psychisch auffälligen Personen an die Psychiatrie gebracht. Von 15 in einer Nacht Aufgenommenen sind zwei bis drei an der Klinik geblieben, weil sie ‚Forschungsgegenstand‘ geworden sind. Die übrigen kamen auf die Baumgartner Höhe“, sagte Friedrich, der heute Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der MedUni Wien am AKH ist. Für das Krankenhaus auf der Baumgartner Höhe wurde das Kürzel „M“ verwendet - für „Monte“ (italienisch: „Berg“).

Psychiater Max Friedrich

APA/Herbert Pfarrhofer

Psychiater Max Friedrich

Die damalige Chefin des Mädchenheims am Wilhelminenberg sei in Reiterstiefeln und Reitergerte in den Stiefeln samt großem Hund an der kurzen Leine herum marschiert, erinnerte sich Friedrich. Auch dort wurden Kinder möglicherweise fragwürdigen Therapien unterzogen.

Die Affären werden derzeit - auch von der MedUni Wien - in Kommissionen aufgearbeitet - mehr dazu in Malaria: Kommission prüft Vorwürfe. Die Wilhelminenberg-Kommission hat Ende des Vorjahres ihre Arbeit aufgenommen und soll im Auftrag der Stadt Wien sämtliche Vorwürfe von ehemaligen Wilhelminenberg-Heimkindern, die von Missbrauchs- und Gewaltfällen in der Vergangenheit berichten, aufarbeiten und prüfen. Die Arbeit des Gremiums soll frühestens Ende 2012 abgeschlossen sein - mehr dazu in 50 Meldungen bei Kommission Wilhelminenberg.

Therapie mit Nobelpreis ausgezeichnet

Einst mit einem Nobelpreis ausgezeichnet, ist die Malariatherapie heute verpönt, weil überholt. 1927 bekam der nicht zuletzt wegen seiner Nähe zum Nationalsozialismus umstrittene Psychiater Julius Wagner-Jauregg den Nobelpreis für die Entdeckung, dass eine Fiebertherapie die Progressive Paralyse als Spätfolge einer nicht auskurierten Syphilis in den Griff bekommen kann. Zwar wurde Penicillin bereits 1928 entdeckt, doch bis in die 1940er Jahre hinein wurden Antibiotika zur Bekämpfung der Syphilis nicht eingesetzt. Die Malariatherapie war damals medizinischer State of the Art.

Doch nicht nur bei Syphilis war die Fiebertherapie im Einsatz. Sie zog vielmehr in der Psychiatrie und anderen medizinischen Fachgebieten bei damals sonst unheilbaren Erkrankungen weite Kreise, zumindest bei Experimenten an Menschen. So gab es in psychiatrischen Krankenhäusern während des Nationalsozialismus Versuche bei Schizophrenie, in NS-Konzentrationslagern an Häftlingen und Kriegsgefangenen auch gegen Tuberkulose. Die beteiligten Mediziner landeten wegen systematischer Versuche an Menschen zumindest teilweise als Kriegsverbrecher auf der Anklagebank des Nürnberger Ärzteprozesses und wurden zu langen Haftstrafen oder gar zum Tode verurteilt.

Bei den künstlich hervorgerufenen Fieberschüben wurden durchaus positive Effekte beobachtet. Es bleibt aber strittig, ob dafür die Hyperthermie (hohes Fieber) selbst oder vorübergehende immunologische Reaktionen oder beide Phänomene verantwortlich waren.