Polizeieinsatz: Diskussion um Notwehr

Nachdem bei einem Polizeieinsatz am Mittwoch eine Frau neun Mal angeschossen worden ist, prüft die Staatsanwaltschaft, ob das Vorgehen des Polizisten angemessen war. Die Polizei sprach jedenfalls von einer „akuten Notwehrsituation“.

Auch wenn die erste Einvernahme der betroffenen Polizisten bereits abgeschlossen wurde, sind noch viele Fragen offen. Warum der Beamte insgesamt neun Mal auf die Frau schoss, konnte man noch nicht konkret sagen, die Polizei spricht aber jedenfalls von einer „akuten Notwehrsituation“.

Schüsse in mehreren Tranchen angegeben?

Die Staatsanwaltschaft Wien nahm die Ermittlungen auf. Es wird sowohl der Schusswaffengebrauch der Polizei untersucht sowie gegen die 37-Jährige wegen versuchten Mordes an Beamten ermittelt. Zudem wird geprüft, ob es auch zu einer „Notwehrüberschreitung“ gekommen sein könnte. Laut Sprecherin Michaela Schnell steht im Raum, dass der Polizist die Schüsse in mehreren Tranchen abgegeben haben könnte, da die 37-Jährige nicht aufgehört hat einen Kollegen mit Messern zu attackieren.

Polizeichefs verteidigen Einsatzkräfte

In der ORF-Sendung „Heute in Österreich“ versuchte Landespolizeikommandant Karl Mahrer die mehrmalige Abgabe der Schüsse mit der Dramatik der Situation zu erklären. Die Frau habe die Polizisten trotz Einsatzes von Pfefferspray mit zwei Messern attackiert und verletzt. Auch Polizeipräsident Gerhard Pürstl betonte diesbezüglich in der ORF-Sendung „Wien heute“: „Es steht hier ein Messer im Mittelpunkt“, dieses sei „als Waffe in der Hand eines Attentäters absolut gefährlich“, so Pürstl.

Kaum Schmerzgefühl durch Adrenalin-Ausstoß?

Warum der Pfefferspray nicht wirkte, begründete Mahrer damit, dass Menschen durch einen erhöhten Adrenalin-Ausstoß oder diverse Substanzen keine Schmerzreaktionen zeigen beziehungsweise Schmerzen erst mit Verzögerung einsetzen.

Es sei „leider polizeiliche Erfahrung“, dass insbesondere bei tobenden Personen mit Psychosen es immer wieder Einsätze gebe, bei denen diese selbst den Einsatz von Schusswaffen nicht sofort spüren würden, so Pürstl weiter. Die betreffenden Personen würden zwar Sekunden später zusammenbrechen, aber im ersten Moment nicht mitbekommen, dass sie getroffen wurden.

Sichergestelltes Messer

Polizei

Tatwaffe

Die Frage, warum die Beamten nicht auf die Spezialeinheit gewartet hätten, beantwortete Mahrer mit der Dringlichkeit der Situation. Die Beamten hätten davon ausgehen müssen, dass sich die Frau entweder selbst etwas antut oder angreift. Pürstl ging noch weiter: „Mir ist es lieber, eine Diskussion über neun Schüsse zu führen, als eine Diskussion über einen Beamten, der in der Wohnung eines Attentäters verblutet.“

Den Vorwurf, dass die Polizisten schlecht geschult seien, wollte Mahrer nicht gelten lassen. In der Ausbildung gebe es ein „interaktives Training“, bei dem genau solche Situationen geprobt würden.

Alle fünf beteiligten Polizisten befinden sich derzeit auf Sonderurlaub. Einige von ihnen werden auch psychologisch betreut.

Frau schwebt in Lebensgefahr

Warum die Frau die Polizisten attackierte, ist jedenfalls unklar. Die Verletzte ist weiterhin nicht vernehmungsfähig, sie schwebt in akuter Lebensgefahr und wird auf der Intensivstation im AKH betreut - mehr dazu in Polizeischüsse: Frau weiter in Lebensgefahr.

Wasserhähne in Wohnung aufgedreht

So viel steht bisher fest: Die 37-Jährige dürfte wegen eines nicht existierenden Brandes die Feuerwehr alarmiert haben. Daraufhin wurde auch die Polizei verständigt. Die Beamten entdeckten in dem Haus in Rudolfsheim zwar keinen Brand, doch hörten sie die Frau im Badezimmer schreien, toben und Gegenstände um sich werfen. Plötzlich sei die Frau verstummt, die Beamten seien daher davon ausgegangen, dass die 37-Jährige dringend Hilfe benötige und brachen die Wohnung auf. Auch Verstärkung wurde angefordert.

Als die Beamten die Wohnung betraten, stand die Küche bereits unter Wasser, da die Hähne aufgedreht waren. Die Frau hatte sich ins Badezimmer eingesperrt. Nachdem die Polizisten die Badezimmertür aufgebrochen hatten, griff die mit zwei langen Küchenmessern bewaffnete Frau die Beamten laut deren Aussage an. Auch durch Pfefferspray habe sie sich nicht stoppen lassen. Als die Frau einen Beamten attackierte und verletzt hatte, machte sein Kollege daraufhin von seiner Dienstwaffe Gebrauch.

Der Flur eines Wohnhaus in Wien-Rudolfheim-Fünfhaus, wo es am Mittwoch 07. März 2012, zu einem Polizeieinsatz mit Schusswaffengebrauch kam

APA/Herbert Neubauer

Beamte brachen Wohnung auf

Schusswaffeneinsätze der Polizei

Ein Schusswaffengebrauch ist für Polizeibeamte immer sehr heikel. Doch immer wieder kommt es vor, dass Beamte aus unterschiedlichen Gründen zur Waffe greifen. Eine Chronologie ausgewählter Einsätze - mehr dazu in Schusswaffeneinsätze der Polizei (wien.ORF.at; 7.3.2012).

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