Schönborn: „Kirche ist nicht IBM“

Der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn sieht die katholische Kirche in Österreich „in einer schwierigen Situation, aber nicht in einer hoffnungslosen“. Zudem sei die „Kirche nicht IBM“, sagte Schönborn in der ORF-„Pressestunde“.

„In den letzten 20 Jahren ist österreichweit der regelmäßige Sonntagsgottesdienstbesuch um 50 Prozent zurückgegangen. Sehr viel mehr Menschen sind unterwegs sich anderswo orientierend, als an den traditionellen Strukturen unserer Pfarrgemeinden“, so Schönborn.

Kardinal Christoph Schönborn in der ORF-Pressestunde

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Schönborn am Palmsonntag in der ORF-„Pressestunde“.

Angesprochen auf diese Krise der Kirche griff Schönborn auf einen Vergleich aus der Wirtschaft zurück: „Die Kirche ist ein Unternehmen - ein sehr viel komplexer aufgestelltes als man im Allgemeinen annimmt - mit den Klöstern, den Orden und 660 Pfarren. Das ist nicht der Konzern wie IBM, wo es einen an der Spitze gibt und dann eine ganz steile Hierarchie. Die Kirche ist sehr viel flacher in der Hierarchie als man im allgemeinen annimmt. Wobei ich weiß nicht wie IBM aufgestellt ist“.

Die Aufgabe der Kirche sieht Schönborn in der „Freundschaft mit Jesus. Die persönliche Beziehung zu dem, mit dem alles begonnen hat. Nicht primär ein Product Management, sondern eine Gemeinschaft von Menschen die fasziniert ist von dem was er getan hat.“

Zu Pfarrgemeinderat: "Mann ist am richtigen Platz“

Zu seiner Bestätigung eines 26-jährigen, in einer eingetragenen Partnerschaft lebenden Homosexuellen als Pfarrgemeinderat in der Weinviertler Gemeinde Stützenhofen betonte Schönborn, dieser habe ihn „auch christlich sehr beeindruckt“ und sei ein „wirklich liebenswürdiger Mann“. Ursprünglich habe er selbst auch gemeint, dass dies mit den Regeln nicht kompatibel sei. Jedoch: „Ich frage mich immer in diesen Situationen, wie hat Jesus gehandelt. Er hat zuerst den Menschen gesehen.“ - mehr dazu in Schönborn: „Entscheidung für den Menschen“ (noe.ORF.at; 1.4.12).

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An der in der Bibel festgelegten Bindung von Mann und Frau, die sich als „ein Fleisch“ mehren sollen, ändere das nichts. Auch bei wiederverheirateten Geschiedenen gelte: „Wir halten am Menschen fest, aber wir halten auch an der Regel fest.“ Schönborn erinnerte in diesem Zusammenhang an seinen Freund, den verstorbenen Bundespräsidenten Thomas Klestil.

Gewalt und Missbrauch: „Es geht um Verstehen“

Die katholische Kirche habe sich der „Missbrauchskrise“ gestellt, sagte Schönborn weiters, wobei die Gründe des Vertuschens und der Umgang mit der „schwarzen Pädagogik“ gesamtgesellschaftlich noch nicht aufgearbeitet seien. „Es geht nicht um Ausreden, aber es geht um Verstehen“, sagte Schönborn. „Ich will, dass wir hier ehrlich hinschauen und sagen, dass darf nicht mehr passieren.“ Positiv sei auch, dass die Zeit der vielen Internate - „strukturell gefährliche, gefährdete Orte“ - vorbei sei.

Schubhaft ist „Schandfleck“

Angesprochen auf Korruptionsfälle in Österreich verwies Schönborn auf „das Schreckliche am Berlusconi-Regime“. Korruption sei für ein Land eine Katastrophe, weil sie die Substanz des menschlichen Miteinanders zerstöre. Auch die Kirche müsse sich wie alle in Sachen Moral am Riemen reißen. „Wir sollten vor der eigenen Tür kehren, wir haben viel zu kehren, um wieder Vertrauen zu gewinnen.“

In Sachen Asyl bezeichnete der Erzbischof die Schubhaft als „Schandfleck“. In Österreich fehle weitgehend eine Immigrationspolitik. Sorgen macht sich Schönborn auch bezüglich der im kommenden Jahr anstehenden Wahlgänge. Es bestehe die Gefahr der billigen Slogans, des Hetzens und des Aufbauens von Feindschaften. „Hier müssen wir wirklich den Anfängen wehren.“

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