Lauter Protest gegen „Totengedenken“

Lautstark, aber ohne Zwischenfälle ist Dienstagabend die Demonstration gegen das jährliche „Totengedenken“ der Burschenschafter auf dem Heldenplatz verlaufen. Laut Polizei protestierten 1.200 Personen gegen die Veranstaltung.

Bereits zuvor hatten mehrere Organisationen zu einer Demonstration vor der Universität Wien aufgerufen. Lange vor dem Eintreffen der Burschenschafter zog die Gruppe allerdings in Richtung Heldenplatz, wo eine Feier vom Netzwerk „Jetzt Zeichen setzen“ anlässlich der Befreiung Österreichs bereits im Laufen war. Zum Netzwerk gehören unter anderen die Israelitische Kultusgemeinde, die Katholische Aktion und Studentenorganisationen.

Protestveranstaltung gegen Totengedenken der Burschenschafter am Wiener Ring

APA/Herbert Pfarrhofer

Demonstration gegen Burschenschafter

Großes Polizeiaufgebot

Wie jedes Jahr hatte der Zug der Verbindungsmitglieder am Abend auf der Mölkerbastei in der Inneren Stadt begonnen. Unter den rund 200 Burschenschaftern fand sich im Gegensatz zu den vergangenen Jahren kaum FPÖ-Prominenz. Einziger aktiver FPÖ-Politiker unter den Verbindungsmitgliedern war der Wiener Landtagsabgeordnete Wolfgang Jung. Mit einem großen Polizeiaufgebot zog der Fackelzug der Burschenschafter durch die teils gesperrte Wiener Innenstadt bis zur Krypta auf dem Heldenplatz. Dort wurde man bereits lautstark von den Demonstranten erwartet.

Burschenschafter am Wiener Heldenplatz

Reuters/Heinz-Peter Bader

Burschenschafter auf Heldenplatz

Probleme organisatorischer Natur hatte es zuvor gegeben: Weil der Festredner der Burschenschafter mit seinem Auto im Stau stecken geblieben war, musste er direkt zum Heldenplatz fahren. Bei der Reiterstatue angekommen, erkannte ihn die Polizei dem Vernehmen nach nicht und ließ ihn vorerst nicht zum Heldentor, wo er seine Rede halten wollte.

Während der Rede kam es im Anschluss zu lautstarken Störversuchen der Veranstaltung, etwa durch Knallkörper. Einige Demonstranten versuchten erfolglos, Absperrungen zu durchbrechen. Nachdem die Verbindungsbrüder abgezogen waren, löste sich auch die Gegenveranstaltung auf dem Heldenplatz auf. Wie die Polizei am späten Dienstagabend mitteilte, wurde während der Störaktionen vor der Krypta am Heldenplatz ein Polizist durch einen Flaschenwurf verletzt. Der Werfer wurde festgenommen und wegen schwerer Körperverletzung angezeigt. Zwei weitere Personen wurden laut Polizeiaussendung wegen nicht näher definierter Verwaltungsübertretungen festgenommen.

Netzwerk gegen „Totengedenken“

Neben mehreren Vertretern der Grünen waren bei der Gegenveranstaltung zum „Totengedenken“ auch Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ) und SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas anwesend. Auf einer kleinen Bühne traten mehrere Redner auf, darunter der Klubobmann der Wiener Grünen, David Ellensohn, der Wiener SPÖ-Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch, und Richard Wadani vom Personenkomitee Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz.

Unter den Besuchern befand sich weiters ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser. Ebenso vertreten waren Mitglieder der Jungen Generation und mehrere NGOs.

Kundgebung gegen Totengedenken

APA/HERBERT P. OCZERET

„Wer heute nicht feiert, hat verloren“

„Ich würde mir wünschen, dass der gesamte Heldenplatz voll ist“, sagte Deutsch vor seiner Ansprache. Er schlug vor, dass ab kommendem Jahr die Veranstaltung auf das gesamte Areal ausgedehnt werde. So sei kein Platz mehr für die Veranstaltung der Burschenschafter vor der Krypta auf dem Heldenplatz.

„Wer heute nicht feiert, hat verloren“, begann Ellensohn seine Rede zu Beginn der Veranstaltung. „Hier war der Krieg zu Ende, und das ist ein Grund zu feiern.“ Wie Deutsch äußerte auch der Wiener Grüne einen Wunsch an die Regierenden: „Wir sollten diskutieren, ob wir nicht diesen Tag zu einem offiziellen Feiertag machen.“ Auch die Katholischen Verbindungen wie der Österreichische Cartellverband (ÖCV) und der Mittelschüler-Kartell-Verband (MKV) antworteten mit einer Gegenveranstaltung: Um 18.00 Uhr fand ein Gottesdienst im Stephansdom für die Opfer des Zweiten Weltkrieges statt.

Regierung verurteilte „Totengedenken“

Am Dienstagvormittag luden Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) zum Gedenken an die Befreiung vom Nationalsozialismus und an die Beendigung des Zweiten Weltkrieges in den Kongresssaal des Bundeskanzleramtes ein. Die Ansprachen gerieten dabei jeweils zu Plädoyers für den europäischen Gedanken. Auch das „Totengedenken“ der Burschenschafter am Abend des 8. Mai auf dem Heldenplatz verurteilten sie. Das Festreferat hielt der Journalist Paul Lendvai.

Die Grünen begrüßten am Montag diese erstmalige „Befreiungsfeier“, orteten aber weiterhin gravierende Widersprüche in Österreichs Umgang mit der Vergangenheit. Am Montag hatten verschiedene Organisationen auf dem Morzinplatz mit einer Kranzniederlegung an die Befreiung von der Nazi-Herrschaft am 8. Mai 1945 erinnert - mehr dazu in Erinnerung an Tag der Befreiung.

Krypta soll untersucht werden

Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) kündigte eine Untersuchung an, mit der geklärt werden soll, ob in der Krypta am Burgtor tatsächlich eine Hülse mit Nazi-Huldigungen versteckt ist. „Es ist notwendig, dass dieses Gerücht endlich aufgeklärt wird und der ‚tote Soldat‘ untersucht wird“, sagte Darabos zum „Standard“.

Seit Jahrzehnten gibt es den Verdacht, dass der Bildhauer Wilhelm Frass im Jahr 1935 in der Krypta eine Nazi-Huldigungsschrift deponiert hatte, wie es der illegale Nationalsozialist in einem Brief selbst behauptet hatte. Darabos hat seine Militärs nun angewiesen, sich an die Burghauptmannschaft und das Bundesdenkmalamt zu wenden.

Für eine Neugestaltung des Heldendenkmals plädiert die Zeithistorikerin Heidemarie Uhl - mehr dazu in Neue Helden braucht der Platz (science.ORF.at).

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