Heim: Personalakten unter der Lupe

Die Kommission Wilhelminenberg, die die Missbrauchsfälle im ehemaligen Kinderheim untersucht, arbeitet auf Hochtouren. Nachdem die Datenschutzkommission ihr OK gab, werden nun die Personalakten unter die Lupe genommen.

Was ist damals im Kinderheim am Wilhelminenberg passiert? Die Kommission sprach bisher mit 100 ehemaligen Zöglingen und Zeitzeugen von 1948 bis 1977, um diese Frage zu beantworten. Dabei wurde von „brutaler Gewalt, sexuellem Missbrauch und systematischer Demütigung“ berichtet. Und noch immer würden sich neue Betroffene melden.

Stillschweigen der Angestellten

Ehemalige Angestellte des Heimes wandten sich allerdings weiterhin kaum an die Kommission. Da die Datenschutzkommission nun aber die Akteneinsicht für zulässig erklärt habe, würden nun die Personalakten durchforstet und man gehe aktiv auf frühere Mitarbeiter zu, so Kommissionsvorsitzende Barbara Helige gegenüber Radio Wien.

Während die Interviews mit ehemaligen Heimkindern in ihren Aussagen laut Kommission sehr häufig in Deckung zu bringen sind, konnte aus den bisherigen Interviews mit Angestellten allerdings noch nicht allzu viel gewonnen werden, weil die Erinnerungen oft lückenhaft geschildert werden oder überhaupt fehlen", sagte Helige im Juni.

Schloss Wilhelminenberg

APA/APA/HERBERT PFARRHOFER

Ehemaliges Kinderheim im Schloss Wilhelminenberg soll „Ort des Schreckens“ gewesen sein

Recherchen in den Archiven ausgeweitet

Da es nach wie vor an Quellen zur Geschichte des Kinderheims Wilhelminenberg mangelt, wurde die Recherche jedenfalls auf Orte und Quellen ausgedehnt. Das gilt für die Archive des Krankenanstaltenverbunds - dem die Erziehungsheime und damit auch das Heim Wilhelminenberg unterstanden - Protokollbücher des Anstaltenamts, aber auch psychiatrische Stellungnahmen und andere Befundberichte.

Von der Kommission soll auch geklärt werden, wer von den Ereignissen wusste und wer aller Verantwortung trägt. Zu diesem Zweck werden neben der Fortführung der Interviews auch die Aktenrecherchen ausgedehnt: So sollen Rettungseinsätze der Wiener Rettung nachvollzogen und Unfallmeldungen gesichtet werden. Akten des Wiener Stadtschulrats können als Erkenntnisquelle dienen, aber auch Bürgermeister- und Stadtratskorrespondenzen werden nach Hinweisen auf Beschwerden durchsucht werden.

Keine Arbeit in Fabriken

Dass Kinder aus dem Heim Wilhelminenberg auch zur Arbeit in Fabriken herangezogen wurden, ist bisher laut Helige nicht bekannt. Zuletzt sorgte die Meldung für Schlagzeilen, wonach Mädchen aus dem Heim St. Martin in Tirol bis in die 1980er Jahre für die Firma Swarovski aber auch für den Marmeladenhersteller Darbo und die Lampenfirma EGLO arbeiten mussten - mehr dazu in tirol.ORF.at.

Nach all dem, was man bisher an Gesprächen geführt und an Akten untersucht habe, gebe es keine Vorwürfe in die Richtung, so Helige.

Leere Betten in Saal

ORF

Zeitraum von 1948 bis 1977 wird untersucht

Endbericht verzögert sich

Der Endbericht der Wilhelminenberg-Kommission wird sich trotz der laufenden Arbeiten verzögern. Ursprünglich ging man davon aus bis Ende 2012 fertig zu sein, das werde man nicht schaffen. Bis ins Jahr 2013 wird jedenfalls gearbeitet werden müssen, meinte Helige - mehr dazu in Missbrauch: Ergebnisse bis Ende 2012.

Die Kommission hatte sich Ende November 2011 konstituiert. Richterin Barbara Helige leitet das Gremium mit vier Mitgliedern. Untersucht wird der Zeitraum von 1948 bis zur Schließung der Anstalt im Jahr 1977. Im Raum stehen etwa die schweren Vorwürfe zweier Frauen, die von Fällen von Kinderprostitution und Serienvergewaltigungen berichteten - mehr dazu in Missbrauch: Ähnliche Fälle auch heute?.

Die einstigen Wiener Kinderheime seien ein Ort des Schreckens gewesen, hieß es zuletzt auch im Endbericht der Historikerkommission. In den Erzählungen zeigte sich „lieblose, menschenverachtende und gewaltsame Erziehung“ - mehr dazu in Schockbericht zu Gewalt in Heimen.