Nationalbibliothek will auf E-Books setzen

Ein „offenes Wissenszentrum“ will die Österreichische Nationalbibliothek in den nächsten Jahren entwickeln. Die von Generaldirektorin Johanna Rachinger präsentierte „Vision 2025“ sieht auch vor, mehr E-Books als gebundene Bücher zu sammeln.

„Wir sind die erste Kultur- und Wissensinstitution, die eine Vision für die Zukunft entwickelt hat“, Rachinger am Freitagvormittag. Die „Vision 2025“ setzt stark auf Digitalisierung und größtmögliche Demokratisierung des Wissenszugangs. Durch eine angestrebte Novelle des Mediengesetzes soll die Pflicht zur physischen Sammlung von Neuerscheinungen gestrichen werden. Die Auswirkung: Wenn es von einem Buch eine gedruckte Version und ein E-Book gibt, soll nur noch die elektronische Variante gesammelt werden.

Bücherspeicher dennoch notwendig

Den lange geforderten und bisher noch nicht finanzierten Bücherspeicher unter dem Heldenplatz werde man dennoch benötigen, unterstrich Rachinger. Mit der Burghauptmannschaft spreche man darüber, dies im Rahmen eines ebenfalls geplanten Garagenprojekts verwirklichen zu können. Näheres soll im Spätherbst bekannt gegeben werden.

„Wir sind schon nächstes oder übernächstes Jahr voll. Noch immer erscheinen jährlich an die 50.000 Bücher, die von uns physisch gesammelt werden“, meinte Rachinger. Man rechne jedoch damit, dass künftig immer mehr Bücher nur noch digital erscheinen werden.

Für die Speicherung, bei der auch Cloud-Lösungen geprüft werden sollen, wirft dies neben neuen Rechts- und Sicherheitsfragen auch technische Probleme auf: „Wir werden alle paar Jahre, wenn Hard- und Software wieder überholt sind, den kompletten Bestand auf neue digitale Technologien umkonvertieren müssen“, sagte Bettina Kann, Hauptabteilungsleiterin der „Digitalen Bibliothek“. „Das ist eine Herausforderung, die Bibliotheken nur gemeinsam bewältigen können.“

Bettina Kann und Johanna Rachinger bei einer Pressekonferenz in der Österreichischen Nationalbibliothek

APA/OTS/Ludwig Schedl

Die Digitalisierung stellt Bettina Kann und Johanna Rachinger in der Nationalbibliothek vor Herausforderungen

Verstärkte Sammlung von digitalen Publikationen

Gemeinsames Agieren wird auch in der Wissenschaftscommunity und bei Public Private Partnerships eine immer größere Rolle spielen. Schließlich gilt es, die archivierten Daten möglichst gut aufbereitet allen zugänglich zu machen. Verträge mit privaten Unternehmen wie Google (von den zur Digitalisierung geplanten 600.000 Büchern vom frühen 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts sind im Rahmen des „Austrian Books Online ABO“-Projekts bereits 100.000 digitalisiert) sollen nach einer neuen Direktive der EU-Kommission nach einer bestimmten Maximalfrist die allgemeine Verfügbarkeit sichern.

„Wir stehen für einen freien Zugang zum Wissen, für Innovation, Bildung und Verantwortung“, formuliert die ÖNB ihre Werte, die der „Vision 2025“ zugrunde liegen. Dabei legt Rachinger Wert darauf, dass diese Vision „bottom up“ erarbeitet wurde und somit „von allem mitgetragen“ werde. Künftig soll der Großteil der Bestände online und möglichst in Volltextsuche angeboten werden.

Die Sammlungstätigkeit wird sich stärker als bisher digitalen Publikationen, sozialen Netzwerken, Webinhalten und anderen neuen Formaten widmen. Dabei wird die Anreicherung mit Metadaten und die Vernetzung und Verlinkung mit Zusatzinformationen im Rahmen eines „semantischen Web“ (Web 3.0) vorangetrieben und als „Open Data“ der Allgemeinheit zur kostenfreien und uneingeschränkten Weiternutzung zur Verfügung gestellt.

9,3 Millionen Abfragen im Vorjahr

2011 besuchten rund 500.000 Menschen die ÖNB, 62 Millionen Seitenaufrufe und 9,3 Millionen Abfragen in den Onlinekatalogen und Datenbanken wurden verzeichnet. Dieses Verhältnis dürfte sich künftig dramatisch verschieben. „Unser Ziel ist es, die Wissensgesellschaft von morgen aktiv mitzugestalten“, so Rachinger. Lesesäle werde es aber auch 2025 weiterhin geben.

Im April hat die einen neuen Forschungslesesaal vorgestellt. Der Ludwig-Wittgenstein-Lesesaal mit 348 Quadratmeter und 64 Plätzen ist der 19. Lesesaal des Hauses - mehr dazu in Literaturmuseum „auf Schiene“ (wien.ORF.at; 26.4.2012).

Link: